E. Unger - Politik Und Metaphysik

Erich JJnger Politik und Metaphysik Herausgegeben von Manfred Voigts ^ts N. d'i. So . v e n t a r i o Königshausen

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Erich JJnger

Politik und Metaphysik Herausgegeben von Manfred Voigts

^ts N.

d'i.

So . v e n t a r i o

Königshausen & Neumann

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CIP-Titelauf nähme der Deutschen Bibliothek Unger, Erich: Politik und Metaphysik / Erich Unger. Hrsg. von Manfred Voigts. — Würzburg : Königshausen u. Neumann, 1989 ISBN 3-88479-421-3

) Verlag Dr. Johannes Königshausen + Dr. Thomas Neumann, Würzburg 1989 Umschlag: Hummel / Homeyer Druck: Königshausen + Neumann Alle Rechte vorbehalten Auch die fotomechanische Vervielfältigung des Werkes oder von Teilen daraus (Fotokopie, Mikrokopie) bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags

Printed in Germany ISBN 3-88479-421-3

Inhalt

Erich Unger Politik und Metaphysik H . G . Adler Erinnerung an den Philosophen Erich Unger Manfred Voigts Nachwort Bibliographischer Anhang

P o l i t i k und M e t a p h y s i k .

Ein einziger Gedanke, eine einzige bestimmte Umschaltung der DaseinsEmpfindung soll sowohl in dieser programmatischen Ausführung als in allen von ihr fortgehenden Darlegungen zum Bewußtsein gebracht werden. Dieser Oedanke betrifft das Auseinander oder das Zusammen zweier Äußerungsweisen des Lebens, betrifft hier die Beurteilung einer Beziehung, in der wir nichts weniger als einen Lebenspunkt — oder als einen nodus letalis — alles menschlich Existierenden sehen. J e d w e d e E i n r i c h t u n g und jedes p o r t b e s t e h e n von u n k a t a s t r o p h a l e n M e n s c h e n - O r d n u n g e n — jede u n k a t a s t r o p h a l e P o l i t i k — ist u n m e t a p h y s i s c h n i c h t m ö g l i c h . Politik und Metaphysik sind die beiden Äußerungsbereiche, deren Zusammenrücken in Frage steht Wie ist das möglich? Die jeden Augenblick unumgänglich zu "realisierende praktische Notwendigkeit — Politik — und eine noch nicht einmal theoretisch auch nur im entferntesten erledigte Angelegenheit — Metaphysik —, wie kann das anders als literarisch zusammengebracht werden? Wie kann man ein Greifbares und ein Ungreifbares, ein Endliches und konkret Bestimmbares wie jede politische Wirklichkeit mit einem Unabsehbaren * vereinheitlichen«? Und wie kann von solcher »Einheit" gar eine Linie zur Auflösung harter, konkreter - sozialer Problematik führen, anders als in einer schwimmenden Unwirklichkeit? Und dennoch glauben wir dieses abenteuerlichste Verfahren zugleich als das realste und nüchternste, ja als das einzige aufweisen zu können, wofern es nur gelingt, einesteils für den Endgültigkeitscharakter, der in temporären und scheinbar noch so variablen Perioden beschlossen liegt, den Blick zu öffnen, anderenteils die beiden fraglichen Begriffe so weit zu präzisieren, daß sie exakt zu handhaben sind. Das erste bedeutet eine rechnungsmäßige Aufrollung und Abschätzung der objektiven Möglichkeiten staatlichen und sozialen Geschehens, das zweite den Zugang zur Praxis. Es gilt vorerst, die Art der Geistesverfassung anzugeben, von der aus dieseja nur überblickhafte Überlegung allein mitzumachen ist, ohne im Vorhinein an tausend Einwänden zu ersticken, denen der weitere Rahmen vorbehalten ist. Das ist diejenige Einstellung, die ein Maximum an Hoffnungslosigkeit enthält: ausallen E l e m e n t e n und F a k t o r e n der g e g e n w ä r t i g e n o d e r v e r g a n g e n e n

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P o l i t i k und M e t a p h y s i k .

Ein einziger Oedanke, eine einzige bestimmte Umschaltung der DaseinsEmpfindung soll sowohl in dieser programmatischen Ausführung als in allen von ihr fortgehenden Darlegungen zum Bewußtsein gebracht werden. Dieser Oedanke betrifft das Auseinander oder das Zusammen zweier Äußerungsweisen des Lebens, betrifft hier die Beurteilung einer Beziehung, in der wir nichts weniger als einen Lebenspunkt — oder als einen nodus letalis — alles menschlich Existierenden sehen. J e d w e d e E i n r i c h t u n g und j e d e s F o r t b e s t e h e n v o n u n k a t a s t r o p h a l e n M e n s c h e n - O r d n u n g e n — jede u n k a t a s t r o p h a l e P o l i t i k — ist u n m e t a p h y s i s c h n i c h t m ö g l i c h . Politik und Metaphysik sind die beiden Äußerungsbereiche, deren Zusammenrücken in Frage steht Wie ist das möglich ? Die jeden Augenblick unumgänglich zu "realisierende praktische Notwendigkeit — Politik — und eine noch nicht einmal theoretisch auch nur im entferntesten erledigte Angelegenheit — Metaphysik —, wie kann das anders als literarisch zusammengebracht werden? Wie kann man ein Greifbares und ein Ungreifbares, ein Endliches und konkret Bestimmbares wie jede politische Wirklichkeit mit einem Unabsehbaren »vereinheitlichen«? Und wie kann von solcher »Einheit" gar eine Linie zur Auflösung harter, konkreter - sozialer Problematik führen, anders als in einer schwimmenden Unwirklichkeit? Und dennoch glauben wir dieses abenteuerlichste Verfahren zugleich als das realste und nüchternste, ja als das einzige aufweisen zu können, wofern es nur gelingt, einesteils für den Endgülligkeitscharakter, der in temporären und scheinbar noch so variablen Perioden beschlossen liegt, den Blick zu öffnen, anderenteils die beiden fraglichen Begriffe so weit zu präzisieren, daß sie exakt zu handhaben sind. Das erste bedeutet eine rechnungsmäßige Aufrollung und Abschätzung der objektiven Möglichkeiten staatlichen und sozialen Geschehens, das zweite den Zugang zur Praxis. Es gilt vorerst, die Art der Geistesverfassung anzugeben, von der aus dieseja nur überblickhafte Überlegung allein mitzumachen ist, ohne im Vorhinein an tausend Einwänden zu ersticken, denen der weitere Rahmen vorbehalten ist. Das ist diejenige Einstellung, die ein Maximum an Hoffnungslosigkeit enthält: ausallen E l e m e n t e n und F a k t o r e n der g e g e n w ä r t i g e n o d e r v e r g a n g e n e n

p o l i t i s c h e n E r f a h r u n g j e m a l s eine e t h i s c h b e f r i e d i g e n d e O r d n u n g m e n s c h l i c h e n Z u s a m m e n d a s e i n s e n t s t e h e n zu s e h e n o h n e den A n s p r u c h d a r a u f a u f z u g e b e n o d e r ( w a s ' d a s s e l b e ist) in die F e r n e zu v e r t a g e n — — eine Einstellung, die also in denkbarster Kraßheit das Gegeneinander dieses Dilemmas, das Problem in seiner wirklichen Gespanntheit spüren läßt. Somit wendet sich dieser Gedankengang zuerst an die, welche in den politischen Fakten dieses Menschenalters keine ethisch-produktiveren Kräfte finden als in denen der vergangenen und für die „Geschichte" nur den Sinn hat »Geschichte des Fehlschlagens". Geschichte als das von der ethischen Norm Abstechende ist ein Ablauf, dessen Stigma Mißlingen ist (während Mythos ein Ablauf ist, dessen Stigma Gelingen ist). Die hieraus folgende fundamentalste Voraussetzung alles Weiteren ist: jede scheinbare »Annäherung" an einen irgendwie »idealen Zustand" als ein Aufder-Stelle-treten zu durchschauen und jedes dahin-zielende Manöver auf das schärfste abzulehnen. »Annäherung" ist der j e d e r Generation freistehende Einwand gegen das Ansinnen, eine Idee oder einen ethisch geforderten Inhalt in i h r e m Menschenalter und restlos zu realisieren. Hier spielt die moralische Empfindung dafür hinein, ob ein endgültiger ethischer Status gleichsam ein »hohes Verdienst" der Menschheit vorstelle, folgeweise ein Ziel, nach dessen Erreichung eine Vollkommenheit statuiert sei, die einem andauernd »vorschwebt", die also nicht anders als in fernster Zukunft gedacht werden kann, weil man offenbar sich nicht vorstellen kann, was man nach Verwirklichung von »Idealzuständen" mit der Welt noch anfangen sollte — - es spielt, sagten wir, hier die moralische Empfindung dafür hinein, ob die Welt in einem Erfüllungsstadium aufhöre oder — anfange. In der Tat fehlt das zur Konkretisierung jeder Absicht vorher notwendige » E r f a h r u n g s bild im Geiste" für die Situation . nach Idealzuständen, und d a r u m sind, sie »unerreichbar". Ganz ernsthaft aber ist Kampf, Streit, Disharmonie und ihre Beseitigung ein Inhalt, ein Erfahrungsgehalt, während eine Endgültigkeit scheinbar keinen weiteren Raum läßt — es sei denn für Wiederholungen. Den Idealzustand' sofort zu denken — das ist ein anderer Ausdruck für lächerliche und undiskutierbare Absurdität für diejenige Daseinsempfindung, der d a m i t das E n d e der T a g e g e g e b e n schiene. Umgekehrt aber ist derjenigen Geistesverfassung, die auch n a c h einer vollkommenen Situation Inhalte anzugeben vermag, der Idealzustand kein Endpunkt, überhaupt keine Angelegenheit, der man sich in endlosen Generationen „annähert" — — sondern eine unausweichliche Voraussetzung, deren Erfüllung kein „Verdienst", sondern deren Nichterfüllung das Maximum an ethischer und sonstiger Minderwertigkeit vorstellt, das in der Welt überhaupt aufzutreiben ist Diese Ansicht wird vorausgesetzt Diese Ansicht aber wird von einer Bewegung geteilt, welche die Aufrichtung ethisch normhafter Zustände ebenfalls für eine bloße Voraussetzung ansieht, aber nicht in der Lage ist anzugeben, für welche Inhalte sie

die Voraussetzung ist Das ist der K o m m u n i s m u s und A n a r c h i s m u s jeder Schattierung. Kommunismus sieht wenigstens das Zeit-Problem sozialer Veränderungen in der hier bejahten Überzeugung, daß Menschen nicht nötig haben; sich als O b j e k t menschlichen Geschehens anzusehen, menschlichen Dingen wie naturhaften gegenüberzustehen, gleichsam sich (wie man sein soll) dem — sich (wie man ist) unterzuordnen er sieht den ethisch geforderten Status, den ganzen, und nicht nur ein Stückchen seiner als a u g e n b l i c k l i c h e Forderung an, d. h. er bezieht eine eventuelle Ruhepause im Erreichen nicht schon im V o r h i n e i n in sein P r o g r a m m ein, insofern er es garnicht erst auf einen Bruchteil, auf ein »Scherflein" und eine .Annäherung" einstellt — —. Die annäherungsweise Erlangung eines im Geiste »vorgesetzten« Zustandes ist das Erzeugnis einer n a c h h e r i g e n Anschauung des Weges von der Absicht bis zu ihrer Konkretisierung: die r ü c k s c h a u e n d e Betrachtung einer Linie, die zu einem erreichten Punkte führt, kann Annäherungs-Abschnitte feststellen aber die A b s i c h t kann diese AnnäherungsPunkte nicht wirklich einbeziehen, sonst stellt sie garnicht echt, sondern nur scheinbar auf den Zielpunkt, in Wahrheit auf den ersten Zwischenpunkt ab. Bezieht schon die Absicht oder der Wille die Ruhepausen zwischen den Etappen in das Programm ein, so bejaht er mehr als zulässig die Widerstände der wider» strebenden Materie, die auf alle F ä l l e zu verneinen seine einzige Aufgabe ist —eine Verneinung, deren speziellen Modus zu finden die Aufgabe der Vernunft ist. Das »Annäherungs "-Verfahren ist mithin eine Übertragung der historischen Denkweise auf teleologische Verhältnisse. Rein ethisch ist im Verlaufe der rationalen Geschichte nach der zuvor angenommenen Perspektive keine Annäherung an einen ideengemäßen Zustand jemals zu konstatieren (das beweist allein die Tatsache daß es ein »vernünftiges" Geschichtsprinzip empirisch-wissenschaftlich d. h. anders als in philosophischer Spekulation nicht gibt) — — rein c a u s a l i t e r sind nur Annäherungen an irgendwelche mehr oder weniger willkürlich herausgehobenen Geschichtssituationen festzustellen. Folglich streichen wir sowohl aus logischen wie empirischen Gründen das Prinzip des Annäherungs-Verhaltens aus dieser Einstellung. Die hier nur als Resultat formulierte Erkenntnis der völligen Unbrauchbarkeit aller tatsächlichen politischen Gebilde und Tendenzen für irgendeine unheillose Ordnung, sofern sie von unpathetischer und realer Berechnung erwartet werden kann, hat sich zuvor unter eben diesen Gebilden und Tendenzen umblicken müssen. Sie hat vor allem feststellen müssen, daß jede sogenannte P a r t e i das Stigma des Unzulänglichen in eminenter Weise trägt. Schon deshalb, weil j e d e ein Bruchstück von Richtigem enthält: — ein Bruchstück, das sich dennoch nicht mit den anderen zur ganzen Wahrheit »zusammensetzen" läßt. Dieses „Zusammensetzen« nämlich ist ja Ursache wieder einiger Parteien: der »vermittelnden" - — und gerade diese zeigen in ganzer Schärfe die Unmöglichkeit, entgegengesetzte Prin-

zipien, wie auch immer, einander zu akkomodieren. Daher denn auch die extremsten Ausdrücke der Parteiung, die u l t r a - k o n s e r v a t i v e und die u l t r a - r e v o l u t i o n ä r e , logisch genommen die diskutabelsten sind. Immerhin halten diese beiden Prinzipien einander mit Recht die schwersten Fehler vor, die man nimmermehr dadurch vermeidet, daß man, wie die »Mittel"-Partei jeder Art tut, beide Prinzipien dadurch »eint«, daß man beide — aufgibt. Sollte nämlich in der Tat die Wahrheit darauf angewiesen sein, Entgegengesetztes zu vereinen, so könnte diese Vereinigung niemals auf Kosten des Entgegengesetzten geschehen, vielmehr wäre sie wohl oder übel genötigt, einen Ausdruck darzustellen, der zwar eine E i n h e i t vorstellt, in der aber das ehemals Entgegengesetzte jedes voll und ganz a u f r e c h t erhalten ist. Das dürfte, wenn auch nicht unlösbar, so doch schwieriger sein, als zu „vermitteln", indem man die zu vermittelnden Forderungen — fallen läßt oder was dasselbe ist, sich nicht „festlegt". Vor die Aufgabe gestellt, zwischen der Bedingung, ein Dreieck zu zeichnen und der entgegenstehenden Bedingung, gleichwohl eine Figur, deren Winkelsumme größer als zwei rechte sei, zu zeichnen der Aufgabe, in dieser Alternative zu .vermitteln", entzieht man sich nicht, indem man ein Viereck zeichnet, sondern man kann ihr nur gerecht werden, wenn man die g a n z e E b e n e der Planimetrie v e r l ä ß t , und ein sphärisches Dreieck zeichnet. Dieses .die ganze Ebene verlassen" hat, wie sich herausstellen wird, für jeden Fall scheinbar unvereinbaren Widerstreits eine mehr als gleichnishafte Bedeutung. Jede Parteideduktion enthält ein Gemenge von Richtigem und Falschem, je nachdem, ob sie prinzipielle oder konkrete Gegebenheiten meint, wobei in antipodischen Parteien Irrtümer oder Unterschlagungen faktisch schematisch überkreuz zu ordnen sind. Ist etwa die Wert-Ungleichheit der Menschen eine kaum bestrittene Tatsache und die aus ihr folgende Notwendigkeit des G e g l i e d e r t s e i n s von Menschen-Gesamtheiten eine schwer abweisbare Forderung, so wird diese p r i n z i p i e l l e Forderung, deren Evidenz konservative Parteien für sich auszunutzen pflegen, sofort zu einer Absurdität, wenn die k o n k r e t e Gliederung in Augenschein genommen wird, die nach allen andern als Wert-Maßstäben vorgenommen zu sein scheint, und deren gleichfalls evidente Unsinnigkeit von jeder Art v o j k s h e r r s c h a f t l i c h e r Bestrebung dazu mißbraucht wird, d a s . P r i n z i p zu leugnen und eine G l e i c h h e i t zu stabilieren, die zwar insofern wirklich ist, als sie den konkreten Klassifizierungsstatus Lügen straft, außerhalb desselben aber weder !voihanden noch ethisch legitimiert ist In Wahrheit aber löst sich alle Parteitheoretik, wenigstens was die gegenwärtigen Kulturvölker angeht, für den auf moralische oder philophische Fundamenticrung Ausgehenden auf in ein vorgeschobenes Gerede zur Stützung der allein motivierenden wirtschaftlichen Interessen. »Die Wirtschaft" ist der bei weitem umfangreichste und plausibelste Erkiärungsgrund fast sämtlichen politischen Verhaltens, der Schlüssel zu jeder Maßnahme jeder Partei, zu jeder Äußerung,

mag sie auch noch so abstrakt anheben. Mehr oder weniger offen auch parteitheoretisch zugestanden, besteht das »wirtschaftliche Interesse" der Saturierten in Verteidigung des Erreichten, der »Ordnung", Konservativismus, das der Enterbten im Umstürzen des Bestehenden, revolutionärer Bewegung, das der Dazwischenstehenden in geringer Umänderung. Das Problem jeder Partei besteht bloß darin, ihr Privatinteresse so a l l g e m e i n g ü l t i g als irgend möglich zu formulieren, gegebenenfalls sogar faktische Kompromisse zu schließen, an deren Ende jedoch jedesmal die bestimmende Absicht einer bestimmten wirtschaftlichen Schicht steht. Das wirtschaftliche Interesse ist mit einer solchen Wucht auf allen Wegen moderner Politik entscheidend, daß der Feststellung kaum Widerspruch begegnen wird: daß, unerachtet des Bestehens eines Komplexes nicht-wirtschaftlicher Beweggründe, es doch die A u s n a h m e ist, wenn das wirtschaftliche Interesse nicht die Richtung anweist. Politik — das heißt h e u t e im w e s e n t l i c h e n : W i r t s c h a f t Wir wollen nicht »den Geist« gegen »das Materielle" in dem Sinne ausspielen, daß wir „dem Materialismus" die üblichen Vorwürfe machen und ihm gegenüber auf die ideellen »Güter« des Lebens weisen und eine Rettung in einer »Abkehr« vom Materiellen und im »Geistigen« eine »Zuflucht« erblicken. Wir haben keineswegs die Absicht, eine Alternative: Körper o d e r Geist aufzustellen. Wir wagen sogar die Äußerung, daß wir kaum der Wichtigkeit, die dem Materiellen, mehr oder weniger »übertragen«: körperhaften Interesse der Menschen zuerkannt wird, Abbruch tun wollen. Wir wollen nur feststellen, daß dieses Interesse nicht vertreten und nicht wahrgenommen werden kann von ihm selbst. Wir wollen eine der Grundtendenz heutiger Politik widersprechende und ihr ungeheuerlich erscheinende Umkehrung zum Ausdruck bringen: als völlig selbstevident scheint heute zu gelten, daß niemand anders als der Interessierte s e l b s t sein Interesse wahrnehme. Wir wollen dem die Möglichkeit entgegenstellen, daß der Interessierte selbst absolut unzuständig sei, sein Interesse zu vertreten, wenn er sich inmitten eines Interessenchaos befindet. Aber, wird man entgegenhalten, die Unzuständigkeit des Interessierten selbst wird ja korrigiert durch das G e g e n - I n t e r e s s e , das, gleichviel nach welchem Vertretungssystem, seinem Umfang entsprechend in die »Regierung« gelangt — in der sich Interessen und Gegen-Interessen so » a u s g l e i c h e n « müssen, daß der objektiven Gerechtigkeit Genüge geschieht Hierzu ist zu sagen: das, was heute »Regierung« heißt, ist — selbst im gerechtesten Falle — der Schauplatz des v e r k ü r z t e n Interessenkampfes und das verkürzte Bild der M a c h t q u a n t e n , die im Staate unverkürzt toben. Woher sollte aus dieser bloßen V e r k ü r z u n g ein ethisches Moment gewonnen werden, d. h. wie sollte durch die Umwandlung des direkten Widerstreites der Wirtschaftsschichten in den ihrer Vertreter der Charakter des K a m p f e s beseitigt werden, in dem der Stärkere siegt, der Schwächere unterliegt Der Charakter des Kampfes soll garnicht beseitigt

werden, das Zeichen des »friedlichen Kampfes« ist das K o m p r o m i ß , auf das sich die Partner einigen müssen, wird behauptet werden. Nun, der „friedliche Kampf" oder das Kompromiß, das Hauptelement heutiger Politik, ist der latente offene; Kompromiß ist immer, muß immer aufgeschobene Vergewaltigung sein — Kompromiß ist die momentane Einigung zweier Feinde, weil die Überlegenheit des einen nicht ausreicht; Kompromiß ist das, wenn auch noch so sehr alle offene Gewalt verschmähende, dennoch in der Mentalität der Gewalt liegende Produkt, weil die zum Kompromiß führende Strebung nicht von s i c h aus, sondern von außen, eben von der Gegenstrebung, motiviert wird, weil aus jedem Kompromiß, wie freiwillig auch immer aufgenommen, der Zwangscharakter nicht weggedacht werden kann. »Besser wäre es anders", ist das Grundempfinden jeden Kompromisses. Das Kompromiß oder die Resultante aus einander widerstrebenden wirtschaftlichen und politischen Tendenzen ist zwar der Ausdruck der augenblicklichen Kraft-Verteilung, aber nie der Ausdruck einer ethisch normierten Situation. Denn diese ist nicht mit dem Kompromiß identisch, es sei denn, daß man als Maßstab des Rechts Macht oder Machtausgleich setzt. Dann aber trägt das »Recht« zugleich die Verantwortung für alle Katastrophen, die die Macht-Verschiebung bedingt, und wir, die wir das gänzliche Fernsein irgendwie vernichtender Umwälzungen als d;as Symptom einer moralischen Ordnung aufstellten, können diese Identifikation von Recht und Macht nicht vornehmen lassen — können somit den Kampf, auch nicht den »friedlichen«, das K o m p r o m i ß , in keinerlei Gestalt als Vertreter der Gerechtigkeit fungieren lassen. Wir müssen dem Begriff des »Kräfte-Ausgleichs«, des Kompromisses, hier wenigstens andeutungsweise die Vorstellung einer anderen Möglichkeit entgegenstellen, gemäß der ein Kräftekomplex sich verhalten kann: es können Kräfte, sich subtrahierend oder verstärkend, sich irgendwie m e c h a n i s c h „ausgleichen" - und es können Kräfte sich so »ausgleichen«, daß sie ein »System« bilden. Das KräfteSystem ist das Gegenstück des Kräfte-Kompromisses. Ein Kräfte-Kompromiß im Sinne des Ausgleichs oder der Kraft-Resultante gibt es überall in der Natur, auch in jeder noch so gewillkürten und chaotischen Konstellation — das KräfteSystem nur im Falle des »Organismus». Beim Kräfte-Ausgleich wirkt.jede Kraft rein von sich aus und wird erst im T r e f f p u n k t von den anderen beeinflußt, gehemmt oder gefördert, der Ausgleich wirkt m e c h a n i s c h — beim Kräfte-System wirkt jede Kraft so, als ob die anderen von v o r n h e r e i n in sie einbezogen wären, wirkt jede Kraft so, als ob eine Realität des A u f - E i n - M a l aller beteiligten Kräfte vor jeder einzelnen existent und wirksam gewesen wäre, eine Realität des Z u s a m m e n , von der aus eine die einzelnen Kräfte differenzierende und ordnende Tendenz ausgegangen wäre - als ob jede Kraft gleich, im Beginn, im E n t s t e h u n g s p u n k t die Wirkung und Beeinflussung aller anderen erfahren hätte — so entstehen sie gleich geordnet, — der Ausgleich wirkt o r g a n i s c h .

Dieses Moment der Beeinflussung vor der Entstehung, der g a n z e n Realität v o r der einzelnen, l i e g t nicht i n n e r h a l b des B e r e i c h s der einzelnen Kräfte — weil diese eben als Einzelheiten Verselbständigungen sind, die sie nicht hätten werden können, wenn sie nicht n a c h e i n a n d e r als Elemente der »Entwicklung" auf den Plan getreten wären, um irgendwann mechanisch auf einander zu prallen weil eben diese Einzelkräfte Verselbständigungen sind, die sie nicht hätten werden können, wenn sie als im V o r h i n e i n , g l e i c h z e i t i g einander bestimmende Tendenzen aufgetreten wären, die sich wie O r g a n e l e m e n t e hätten zueinander einstellen müssen. Der Schauplatz eines solchen ursprünglichen Zusammen der Einzelkräfte aber wäre im Anbeginn ein geistiger gewesen: — ihr organisches Gefügtsein wäre in einer C o n c e p t i o n vorerst existent gewesen. Die Ganzheit ist aus dem ganzen Umkreis der Teile nicht zu ermitteln, weil die Teile v e r s e l b s t ä n d i g t e Teile sind. Exemplifizieren wir diesen allgemeinen, in groben Umrissen angegebenen Gedankengang auf den konkreten Sachverhalt, so ergibt sich: Die Tendenzen der Wirtschaftswelt zeigen sich als im Konflikt befindlich. Also sind es selbständige Kräfte, die sich bestenfalls im Zustande m e c h a n i s c h e n Ausgleichs halten. Aus diesen Selbständigkeiten aber läßt sich ihre ursprüngliche Ganzheit oder ein Analogon ihres organhaften Zusammen deshalb nicht mehr ermitteln, weil die Tendenzen als Konflikt ermöglichende d. i. als Selbständigkeiten e i n e a n d e r e G e s t a l t und e i n e a n d e r e R i c h t u n g angenommen haben, als sie im Zustande ihrer organischen Verbundenheit aufgewiesen hätten. Aus keiner Kombination oder Permutation der Partei-Tendenzen kann eine normative Ordnung des Wirtschaftsganzen je sich ergeben, weil das, was ihnen Wirtschaft heißt, mehr oder weniger eine Konjunkturformel sein muß und das, was in W a h r h e i t Wirtschaft ist, nicht aus den Einzelerscheinungen der erkrankten Wirtschaftswelt ableitbar ist, sondern, wie jede organische Ganzheit, selbst wieder nur aus einer a u ß e r h a l b ihrer liegenden Zweckvorstellung begriffen und vollzogen werden kann. Das heißt: Das P r o b l e m der W i r t s c h a f t - das Hauptthema aller menschlichen Kämpfe — ist i n n e r h a l b seines e i g e n e n G e b i e t s nicht zu lösen. Aber es ist auch mit- «dem Geist" nicht zu lösen.. Es ist in letzter Zeit in Deutschland und außerhalb der Versuch gemacht worden, die politische Chaotik dadurch zu reparieren, daß man sich auf die Forderung Piatons besann und das von Natur aus selbstverständliche Gebot, daß der »Vernunft" auch die »Herrschaft" zukomme, dadurch in die Realität zu übersetzen trachtete, daß man »den Geistigen" auch irgendwie die M a c h t zuzuerteilen gedachte.

Dieser rein logisch unbezweifelbar einwandfreie Gedanke war und muß nur deshalb zu völliger Sterilität verurteilt bleiben, weil die intensivst erforderliche Einsicht fehlte, daß ein solcher Versuch zwar einer richtigen Idee entsprechen würde, diese a b e r a b s o l u t f o r m a l sei. Denn so sicher »der Geist" der Inbegriff aller Lösungen aller Fragen ist, so sehr hängt jede k o n k r e t e Lösung von einem ganz bestimmten Inhalt dieses sonst ganz formalen Inbegriffs ab und so sicher ist dieser Inhalt n i c h t : die faktische Gesamtheit der empirisch vorhandenen »Geistigen*. Durch deren S a m m l u n g würde für den Geist bestenfalls etwas wie eine »Atmosphäre" geschaffen, bessere »Arbeitsbedingungen« — ein Vorteil, der hundertfach zu teuer bezahlt wäre durch die so bestechende wie alles vernichtende Vorstellung, daß die so gesammelten Geistigen sich nur angelegentlichst mit Politik zu befassen brauchten, damit die Leitung menschlicher Angelegenheiten in der Tat den denkbar besten Händen anvertraut sei. Hier werden nämlich die relativ mehr oder minder Geistigen, bestimmte empirische Personen, an die Stelle gesetzt, die logisch, „dem Geist" zukommt, eine Verwechselung, die durch das banale Sophisma: »der Geist" existiere eben nur in einzelnen konkreten Personen, gestützt wird. Die Banalität, daß geistige Realitäten ohne empirische Träger nicht vorstellbar sind, wird dazu benutzt, um zu dem Schluß zu verführen, daß man »Geist« »sammle«, wenn man die Träger addiert Da nun aber jede mögliche »Sammlung«, Potenzierung des »Geistes" als solchen völlig die Angelegenheit eines psychischen Innen ist und somit auf einer gänzlich anderen Ebene vor sich geht als die Beziehungen der physischen »Geistigen" — nämlich auf einer psychischen oder D e n k ebene und nicht auf einer irgendwie »äußeren" — so erhellt zunächst, daß eine Sammlung der Geistigen zur Steigerung des »Geistes« bestenfalls eine Beziehung hat wie etwa eine gute »Arbeitsstube" zur Lösung eines Gedankenganges. Geist muß »gesammelt« > werden, um nach a u ß e n zu treten. Völlig richtig. Aber diese Sammlung geschieht nicht in d e r j e n i g e n Sphäre, in der sich die physiologischen •Verkörperungen" geistiger Begebenheiten aufhalten. Aber, so argumentiert der sogenannte Aktivismus, es kommt auf Potenzierung des Geistes als solchen ja garnicht oder höchstens insofern an, als es zur Bewältigung p r a k t i s c h e r Probleme vonnöten ist Dazu ist zu sagen: es ist jene gänzlich f o r m a l e Auffassung von Geist, welche die Gleichsetzung von »Geist« und »Geistigen" möglich macht. Die Geistigen sind Personen, welche eine B e z i e h u n g zum »Geist«, d. i. zum äußersten . denkbaren Steigerungspunkt geistiger Bewegungsmöglichkeiten, aufweisen. Diese Beziehung äußert sich weitaus am häufigsten unpolitisch. Es ist nun auf keine Weise einzusehen, wie jene unpolitische Beziehung zum Geist dazu fruchtbar gemacht werden sollte, gerade politische Werte zu produzieren. Diese Art »Geistigen« sind quoad Politik um nichts zuständiger als politische Fachleute, denen aber diese unpolitische Beziehung zum Geist fehlt. Und diejenigen

Geistigen, die eine politische Beziehung zum Geist aufweisen, sich also politisch betätigen, werden, wie dargetan, durch Z u s a m m e n s c h l u ß ihre geistige Beg a b u n g nicht vertiefen. Aber es soll nichts vertieft werden, meint der Aktivismus, es soll g e w i r k t werden. Man besinne sich: zum W i r k e n gehört ein Angriffspunkt, der ein Berührungspunkt ist zwischen Wirkendem und Material. Wenn zwischen einer geistigen Norm oder einer geistigen Haltung einerseits und den Faktoren der Erfahrungswelt andererseits ein Abstand klafft, der eine direkte Berührung nicht zuläßt, so kann m o m e n t a n nicht g e w i r k t werden wenn man die geistige Haltung nicht verläßt und „Realpolitik" treibt. (Ein umfassendes Beispiel bietet etwa die Geschichte der Sozialdemokratie) Diese Realpolitik ist das, was allenthalben bereits betrieben wird, und sie stellt schon den Abstieg dar aus jenen der Menschheit ja nicht unbekannten geistigen Haltungen. Der Aktivismus w 11 noch einmal verkürzt dieses Herabsteigen ad oculos demonstrieren. .Geist" heißt ja gerade: Nicht-Wirkung, wenn praktisches K o m p r o m i ß erforderlich, heißt: Bewahren des R i c h t u n g s p u n k t e s bis zur Wirkungs-Möglichkeit. Geist, der wirkt — ist unversehens „Realpolitik" und unterscheidet sich in nichts von der betriebenen. Geist ziplt nicht ü b e r h a u p t auf Unwirksamkeit und Esoterik, sondern nur so lange als Wirkung — Zugeständnis bedeutet. Und daß o h n e Zugeständnisse ein angriffsloses Visavis von Norm und Erfahrung besteht, kann kaum bestritten werden. Aber man vergegenwärtige sich doch einmal: was bedeutet denn diese viel gebrauchte Vorstellung „geistig", wenn es sich um Bearbeitung politischer oder wirtschaftlicher Materie handelt? Was heißt „geistige Behandlung" sozia'er Problematik? Hier sind zwei Faktoren: die politisch-wirtschaftlichen Gegebenheiten und das geistige Vermögen. Dem geistigen Vermögen kann einzig und allein die Aufgabe zufallen, diese Gegebenheiten in einer Weise zu o r d n e n , nach Ursache und Wirkung in tausenderlei Gestalt einzuteilen und diese Geteiltheiten so zu rangieren, daß die also hergestellte Ordnung reibungslos läuft. Das aber versucht die politische Überlegung seit Menschengedenken. Aber es muß „geistig" versucht werden. Was bedeutet geistig? Bedeutet es „durch einen geistigen Menschen"? — und es können nur die bisher Unpolitisch-Geistigen gemeint sein — so ist wahrhaftig die Hoffnung gering, etwa von einer Befähigung zur Gefühlsgestaltung die Ordnung wirtschaftlicher Phänomene zu erwarten. Denn der dem so Befähigten eigene Grad von „Kultur«, von „Menschlichkeit", welcher der Politik „gut täte«, ist es ja gerade, der den also Ausgezeichneten u n p o l i t i s c h macht, weil zwischen seiner geistigen Einstellung und den Tatsachen jener Riß klatft, der ihn ahnen oder wissen ließ, daß seine „Menschlichkeit" auf dem Wege vom unwirksamen Geist zu den Bedingungen der Wirtschaftswelt sich in Nichts verwandle, — — oder, aufrecht erhalten, sich in jenen w e i t e r h i n unwirksamen Beschwörungen der Allgemeinheit ausdrückt, die man aus den Äußerungen der

„politischen Dichter" kennt, und die maßlos verschieden sind und sein müssen von der äußersten politischen Produktivität, die das G a n z e der sozialen Komplexe begreift. Denn es läßt sich zeigen, daß gewisse normative, p s y c h o l o g i s c h und ethisch begründete Einzel-Forderungen, die zu den Situationen der aktuellen politischen Welt kontrastieren, - daß solche Einzelforderungen, wie sie von geistigen Menschen, die sich der Politik zuwenden, auszugehen pflegen, sich zwar in einem Einzel-Gesetz formulieren ließen, — - daß aber die Durchführung solchen Gesetzes die g a n z e aktuelle politische Welt revolutionierte, und von einer EinzelSchwierigkeit zu prinzipiellen führt, weil nicht zwei Einzelheiten, nicht Symptome, sondern ganze Ebenen gegeneinander stehen. Das bedeutet, daß hier nichts geschieht, wenn Dichter oder Wissenschaftler sich sammeln und politisch werden — hier, wo der politische Genius selbst beansprucht wird. Die äußere „Sammlung" der Geistigen aber als das Moment „geistiger" Politik einzustellen, ist, abgesehen davon, daß es genau so anfechtbar, wie der Gedanke des Parlamentarismus ü b e r h a u p t - ist, wie ausgeführt, jene Verwechslung, welche „Internationale des Geistes* sagt und „Internationale der Schriftsteller" bedeutet. Oder heißt „geistig« eine besondere M e t h o d e der Behandlung politischen Materials? Dann könnte es nur den Sinn eines l o g i s c h e n Verfahrens haben. Hier aber ist nicht das Gebiet der reinen Logik, da durch Begriffe und Schlüsse „richtig" und „falsch" entschieden wird. Daß die Linien der Kausalität, nicht wie sie verlaufen, sind logisch regelbare Angelegenheiten, und die Logik ist so durch und durch Allgemeinwissenschaft, daß sie für ein Spezialgebiet zu einem S o n d e r v e r f a h r e n gestalten zu wollen, zu einem leeren Prunken mit einer unkonkretisierbaren Über-Berechtigung werden muß. Das Prädikat „geistig" als Attribut der Politik bezeichnet also eine leere Wünschbarkeit und eine ethische Forderung wie das Postulat „gut" — so lange unter den Bedeutungen, die ihm seine Erfinder gaben, kein reales Agens zur Bewältigung höchst drastischer und gefährlicher Notlagen enthalten ist. Es verflüchtigt sich zu einem formalen Erfordernis. Geist als solcher ist nichts Hinzukommendes, heißt nur das formal richtige Umgehen mit den Gegebenheiten, und die Unmöglichkeit, eine katastrophenlose Ordnung dieser herzustellen, kann an den G e g e b e n h e i t e n liegen oder an dem Nicht-Vorhandensesin anderer. Wie eine Aufgabe unlösbar sein kann, wenn die Zahl der bekannten Fakioren zu klein und die der unbekannten zu groß ist, so kann die Unlösbarkeit des politisch-wirtschaftlichen Problems daran liegen, daß die Faktoren, ; die in Ordnung gebracht werden sollen, so, wie, sie sind, nicht a u s r e i c h e n . Nicht, als ob neue wirtschaftliche Fakten zu eruieren seien - es könnte sein, daß das g e s a m t e Wirtschafts-Gefüge deshalb nicht in Ordnung gebracht werden kann, weil es als ein in sich geschlossenes, r u h e n d e s Ganzes

betrachtet und in Angriff genommen wird, während es in Wirklichkeit eine (als Ganzes) a b h ä n g i g e G r ö ß e ist. In dem bloß-wirtschaftlichen Material finden sich diejenigen Elemente, welche machen, daß alle anderen zueinander »passen«, nicht, und in der zu dieser Wirtschaftswelt gehörenden geistigen finden sie sich auch nicht Denn — und dies ist ein Sachverhalt von einer vielleicht anfangs befremdlichen, indessen kaum zu überschätzenden Bedeutung -: Diese W i r t s c h a f t s welt und diese — scheinbar doch ganz heterogene — »geistige« Welt mitsamt allen ihren das Wirtschaftsdasein revolutionierenden Forderungen, m i t s a m t allen ihren scheinbar materie-femen Betätigungen — — b e d i n g e n e i n a n d e r . Das will sagen: wenn das g e i s t i g e V e r h a l t e n , das wir als in einem Umkreise herrschend beobachten können, der weif über den Unterschied von »Gebieten" oder »Strömungen« oder »Richtungen" innerhalb des Geisteslebens hinausgeht, nicht ein b e s t i m m t e s S t i g m a aufwiese (zu dessen bloßer Sichtbarmachung schon die Aufstellung eines anderen Types geistiger Möglichkeit notwendig ist und hier versucht werden soll), das es in der Tat aufweist, so könnte diese äußere Ordnung der Dinge nicht diese t o t a l e U n b e r ü h r b a r k e i t von geistiger Motivation aufweisen, die sie in der Tat aufweist Da das Prinzip der „Herrschaft des Geistes" in f o r m a l e r Weise richtig ist, so muß diese vollkommene Unangreifbarkeit der materialen, politischen, wirtschaftlichen Welt durch den „Geist" daran liegen, daß es keine i n h a l t l i c h e geistige Wesenheit gibt, — wie weit man auch diesen tatsächlich vorhandenen Bereich geistiger Gegebenheiten durchläuft die diesen äußeren Komplex sogleich zu bewegen vermöchte. Da sich vom Geist her nichts faktisch ändert, so muß geschlossen werden: Dieses W i r t s c h a f t s c h a o s und d i e s e g e i s t i g e Welt passen zusammen. Es findet sich in dieser kein eingreifendes Motiv (außer dem allgemeinen, formalen). Woran liegt das? Es liegt daran, daß die maßgebende geistige Einstellung, die durchgängig ist und die mit dem konkreten Dasein dieser Epochen übereinstimmt, die ist: daß alle geistige Wirkung keine a u g e n b l i c k l i c h e nach Art der k ö r p e r l i c h e n , sondern eine an Unsichtbarkeit grenzend ferne und allmähliche ist: daß mithin geistige Faktoren nur nach langen Abläufen irgendwie merkbar und wertbar, materielle Faktoren aber augenblicklich und sofort einsetzbar und wirkend gewertet werden: daß somit allem Geistigen eine zeitliche N a c h t r ä g l i c h k e i t eigen sei, der die Regelung des Körperlichen zeitlich v o r a n z u g e h e n habe: daß Körperhaftes überall die Notwendigkeit m o m e n t a n e r R e g e l u n g zeige, demgegenüber Geistiges jedweden unbestimmten Aufschub vertrage. Diese Auffassung ist im innersten identisch mit jener, daß das Geistige nur der „ Ü b e r b a u " der materialen Welt sei, deren eigentlich bestimmende Mächte in ihr selbst lägen.

Aber die gegenteilige, .idealistische" Perspektive, daß der »Geist" es sei, der die bewegende Kraft bedeute, macht es sich zu leicht, wenn sie die Wirkung dieses bewegenden Agens »schließlich und endlich" einmal in mehr oder weniger ferner Zukunft erwartet — —. Denn mit der Aberkennung der s o f o r t i g e n Wirkungsfähigkeit des Geistigen m u ß dieses wohl oder übel zum unnotwendigen » Ü b e r b a u « werden, mögen auch die .Idealisten" noch, so intensiv das Gegenteil behaupten. Was nicht in bestimmten Sachlagen sofort »da ist", ist überhaupt nicht da, muß bei der Ordnung der wichtigsten Sachlagen unausweislich vernachlässigt, d. i. zum „Überbau" werden. Der Geist, als etwas N i c h t - A u g e n b l i c k l i c h e s an Wirkungsfähigkeit verstanden, ist das Stigma, das diese gesamte" geistige, kulturelle Welt zeichnet und sie zu etwas der augenblicklichen Eingriffs-Fähigkeit und »Notwendigkeit des k ö r p e r h a f t e n Daseins" N a c h g e o r d n e t e m macht und zu etwas allen Verrenkungen und Erkrankungen dieses körperhaften „wirtschaftlichen" Daseins eingriffsunfähig Gegenüberstehendem, zu etwas — im Effekt — dazu Passendem. Aber man wird entgegenstellen: das sei nicht das Stigma d i e s e r geistigen Welt, das sei. das Stigma des Geistes ü b e r h a u p t , als solchen — auf eine andere Weise als mehr oder weniger allmählich und ferne zu wirken, sei sämtlichen Mitteln des Geistes überhaupt unmöglich — Geist heiße im Gegensatz zu Körper: Fernwirkung. Darauf antworten wir: Sollte dies so sein, sollte diese „Fernwirkung" auch zeitlich unumstößliches Gesetz sein, so gilt es, sich darauf gefaßt zu machen, daß die körperhaften, materiellen Bewegungen vom Geist ü b e r h a u p t niemals eingeholt werden. Es gibt keinerlei exakten Anhalt dafür, daß sich nicht ständig und ewig körperhafte Notwendigkeiten vor geistige Erfordernisse drängen und diese in infinitum hinausschieben, es gibt — abgesehen von einem transzendentalen Dogma von ewiger Weltverbesserung — keinerlei Garantie, mit Sicherheit aber keinerlei handh a b b a r e s Moment dafür, daß unter dieser Perspektive nicht das Chaos in Permanenz erklärt wird samt allen theoretisch ungeheuerlichen Konsequenzen, die bis zur Selbstaufhebung jeder Geltung führen. Man gewöhne sich, in Alternativen zu denken, und hüte sich, „Unmöglichkeiten" zu stabilieren, deren antipodisch entsprechende „Möglichkeit" nur zu Ende geführt, noch nicht einmal — d e n k b a r ist. Wir werden also, von undenkbaren Folgerungen genötigt, eine Weile bei der Erwägung von Möglichkeiten zu verharren haben, die, wenn auch zu einem Teil als Aussichtslosigkeiten verschrieen, dennoch eigentlich niemals — wie es doch bei echten Aussichtslosigkeiten sein müßte — zu Gleichgültigem und zu Nichts geworden sind, sondern, wenn auch problematisch, immer dringend dagewesen sind: der Möglichkeit einer unmittelbaren und augenblicklichen geistigen Wirk-

samkeit, einer Eventualität, die allerdings aus einer Realitätsempfindung stammt, die unter den Kräften, die diese Kulturwelt ausmachen, nicht anzutreffen ist Die Möglichkeit geistiger Momentanwirkung ist mithin unerläßlich oder: es ist logische Anarchie zu gewärtigen. Es entsteht die Frage nach dem Paradigma einer solchen Wirkung. Es zeigt sich, daß nur ein Fall eines sogleich sichtbaren Effekts geistiger Einwirkung bekannt ist: der der physiologischen Beherrschung des Körpers durch geistige Momente auf dem ganzen übrigen Felde des „Geistes" aber nichts dergleichen bekannt ist. Es gibt also eine solche Gegebenheit, aber sie gehört nicht in die Politik. Gibt es nun im ganzen Umkreis des außerphysiologischen Bereichs keinen Anhalt für eine Eingriffsmöglichkeit des Geistes in die Dinge der menschlichen Außenwelt nach Art des Körpers? Wir müssen antworten: es gibt keinen wenn nicht „die Natur", das N a t u r g e g e b e n e des psychophysiologischen Phänomens — m o d i f i z i e r b a r , b e h a n d e l b a r ist. Hier ist ein kritischer Punkt von kaum überschätzbarer Wesentlichkeit: eine Stelle, an der „Tatsachen" auf ihre „Tatsächlichkeit" hin zu überprüfen sind. Daher ein Punkt jahrhundertelangen Stockens. Worauf kommt es an? Es muß dem Wirken des Geistes die Möglichkeit gegeben sein, mit der gleichen Unmittelbarkeit, mit der gleichen unzweifelhaften, unmetaphorischen Drastik und Plötzlichkeit da zu sein wie dem des Körpers — — sonst verbürgt nichts das Aufhören seiner ewigen Nachträglichkeit Augenblicklich einsetzbar aber ist nichts absolut Körperloses. Der Geist oder eine geistige Gegebenheit als s o l c h e ist nicht augenblicklich einsetzbar. Um die Dinge des Außen anzugreifen wie ein Arm, wie eine Maschine oder wie ein Zahlmittel genügt nicht ein — im Vergleich zur übrigen Erfahrungswelt: gestaltloses Etwas, wie es selbst die bestimmteste Überlegung ist und das deutlichste Gefühl. Selbst die g e n a u e s t e Reflexion und die intensivste Empfindung verlieren, den widerstrebenden Reflexionen und Empfindungen, die die Erfahrungskörperlichkeit auf ihrer Seite haben, im Kampfe ausgesetzt, ihren undurchbrochenen Umriß, ihre Härte, die absolute Bestimmtheit, die im Geiste Ersatz des Körperhaften bedeutet sie verlieren ihre unantastbare Eindeutigkeit und damit ihr Wesen und ihre Ersetzbarkeit. Hier ist keine Mathematik: also gibt es keine Unbezweifelbarkeit, die vermöge anschauungsmäßiger Logik durchdringt. Mathematik nämlich heißt Geist und Körperhaftes, d. i. g e s e t z m ä ß i g e A n s c h a u u n g .

Etwas der Mathematik Entsprechendes ist notwendig. Gesetzmäßige Anschauung ist die Betätigung des Geistes auf der Ebene der S i n n e , ist »reine« Sinnlichkeit. Gibt es also zu dem Gebiet der nichtindividuellen Realitäten keine Sinnenhaftigkeit, kein Feld gesetzmäßiger Anschauung, keine Sinne — so ist der »Geist" ewig ein, im buchstäblichsten Sinne: »losgelöster« Schemen, der ewig dem Zwang der körperhaften, sogenannten „Wirklichkeit" weichen muß. Diese Alternative gilt es sich in ihrer ganzen Kraßheit zu vergegenwärtigen: es wird zur Auflösung der Probleme der Menschen-Ordnung, zur Aufhebung der ganzen zwischenindividueilen Pathologie nicht weniger verlangt als eine Modifizierbarkeit des Naturgegebenen: der psychophysischen Sinnlichkeit Man mag das für unmöglich erklären — aber man sei sich zunächst darüber klar, daß man damit i m p l i c i t e fast alles für absolut unmöglich erklärt, das aus der unaufhörlichen Katastrophe des Völkerdaseins herausführen könnte — man sei sich dann bewußt, daß man damit nicht nur jedes politische Beginnen, dessen Notwendigkeit doch unausweichlich ist, dennoch für zweck- und ^ sinnlos erklärt — daß man einen ewigen Irrsinn damit von diesem Augenblick an statuiert. Ehe man sich zu dergleichen entschließt, sieht man wohl auch eine sogenannte Unmöglichkeit noch einmal genauer an. — Um die Verantwortung für die Behauptung der Unerläßlichkeit eines Abenteuers, wie es die Bewältigung eines bis heute sicherlich nicht durchdrungenen Feldes darstellt, übernehmen zu können, ist. vorerst klarzustellen, wie denn überhaupt ein sozialer Problemkomplex mit einem — (mit Einschränkung gesagt): naturwissenschaftlichen zusammenhängen könne, sodann, wie sie derart verknotet sein können, daß hier eine leben- und todbedingende Verbindung liege. Wir wollen zuerst mit einigen dogmatischen Worten angeben, welche Beziehung hier gemeint ist Politik gilt gemeinhin als die Aufgabe der konkreten Ordnung von Menschengesamtheiten unter einstweiliger Beiseitesetzung der naturwissenschaftlichen und philosophischen Möglichkeiten des Menschen. Politik betraf gleichsam nur die Ordnung des physiologischen Nebeneinander, indessen die psychische Sphäre, die kulturelle, der Bereich der „Bestimmung des Menschen«, als Reservat des E i n z e l n e n angesehen war. .. Letzteres war darum auch nicht „bindend", es lag außerhalb des „Staates". Die Ideen, die der Einzelne sich über seine personale Existenz machte, waren für die Welt des Staates höchstens insofern da, als er ihnen irgendeine kulturelle Institution überließ, und damit war dieses Gebiet neben dem staatlichen bestimmt, das seinerseits von e i g e n e n Faktoren kausiert wurde. D e r U r s a c h e n - u n d d a m i t der Z i e l p u n k t a l l e r g e g e n w ä r t i g e n Politik l i e g t , im Kern, i m m e r n o c h in d e r R e g e l u n g d e s p h y s i s c h e n

A u s g l e i c h s , sei es der E i n z e l n e n , sei es d e r V ö l k e r g e s a m t h e i t e n untereinander. Die Politik blickt auf Vielheit, der Einzelnen oder der Völker, und will sie rangieren. Nach Erreichung dieser Ordnung hätte die Politik als s o l c h e kein Programm mehr, sie würde, heute vor eine solche Frage gestellt, antworten: alles « F e r n e r e » werde sich »dann« ergeben, es handle sich heute um den Zwang der augenblicklichen »Wirklichkeit" und nicht um eine entlegene »Möglichkeit". Unter Zugrundelegung des hier ausgeführten Gedankens, der die Umkehrung von all dem ist und der sagt: daß sich diese sogenannte „Wirklichkeit" durchaus nicht „verwirklichen", durchaus praktisch auf keine Weise einrichten lasse, ohne jene „Möglichkeit" v o r h e r einbezogen zu haben — daß Politik, für sich genommen, spezialisiert, abgetrennt, als „Politik" gehandhabt, mit Katastrophenpolitik ewig identisch sein müsse, daß jene realitätferne Möglichkeit vorher geregelt zu haben augenblicklich p r a k t i s c h unerläßlich sei, daß es also einen Fehler von unabsehbaren Konsequenzen bedeute, das teleologische Gebiet neben statt vor das staatliche zu lokalisieren, a u ß e r Kausalnexus statt in den b e s t i m m e n d e n Kausalnexus zu setzen, und zwar nicht, wie gewöhnlich geglaubt wird, um des Kulturellen, sondern um des Physiologischen willen — unter Zugrundelegung dieser Erwägung müssen wir also ein anderes Bild von „Politik" gewinnen. Es wird hier, das sei wiederum unterstrichen, keine »idealistische" Politik gegen eine materialistische gefordert — nicht »Geist* gegen „Materie" ausgespielt, sondern eine wei.tergespannte Vorstellung des psychophysischen Verhältnisses gegen eine zu enge. Der Begriff von Politik, den wir im Auge haben, ist genötigt, alle Ungelöstheit, die sich zunächst in einem psychischen Innen abspielt, einzubeziehen und auf irgendeine Weise v o r der P r a x i s zur Entscheidung zu bringen, nicht nur um der sogenannten „Kultur" willen (der etwa eine rein materielle Sphäre g e g e n ü b e r s t ü n d e ) , s o n d e r n g e r a d e und erst r e c h t um d i e s e r m a t e r i e l l e n S p h ä r e willen. Diese materielle Sphäre, die heute so verzweifelt umkämpft wird, schätzen wir nicht etwa als zu groß, wir urteilen, daß sie zu klein sei, und daß ihr Erweiterung not tue. Es müssen mehr und andere materielle Angelegenheiten in den Gesichtskreis der Politik gebracht werden, um die Regelung der physischen Welt zu ermöglichen — das politische Unternehmen scheitert, wie in manchem anderen Fall, nicht an der Größe, sondern an der Kleinheit seines Umfanges. Die Erweiterung und Einbeziehung heute als apolitisch angesehener Komplexe bringt nämlich eine V e r s c h i e b u n g des W e r t a k z e n t e s herbei, der auf den einzelnen materieilpolitischen Tatbeständen ruht: sie verhindert Überbewertungen, die im zwischenmenschlichen Organismus zu psychischen Verknotungen und fixen

Gebilden werden, von denen Sterilität und Auflösung ausgeht Um konkret zu sein: eine so ungeheure Bedeutung das rein wirtschaftliche Interesse immerhin für den Einzelnen haben mag, so gibt es dennoch auch für diesen Werte, hinter die es, selbst bei krassestem Materialismus, zurücktritt Das sind alle n a t u r h a f t e n Momente im Dasein des Einzelnen (Anfang, Ende, Fortsetzung, naturhafte Bedrohung u. s. f.), die ja sogar das Urmotiv auch seines wirtschaftlichen Interesses sind, aber, wie bekannt, nur zu einem geringen Bruchteil durch dieses letztere zu sichern sind. Diese naturhaften Momente aber sind im wesentlichen außerhalb der Vielheits-Existenz, sie gehen den Einzelnen an. Sie gelten als gemeinschaftsgemäß, d. i. als politisch irrelevante Fakta. Es gilt, daß »naturgesetzlich" die Kausalreihe der Biologie und die der Soziologie nebeneinander nicht ineinander laufen. Die soziologische Tendenz kann auf die biologische nur vermittels dieser einwirken. Ließe sich nun dennoch ein nicht vermittelter Zusammenhang aufdecken zwischen diesen naturhaften Gegebenheiten und der Vielheits-Tatsache, so erhielte die letztere mit einem Schlage eine dringende Realität für den Einzelnen, und aus einer bloßen »Vorstellung", die die Einzelnen zusammenfaßte, würde plötzlich realiter und drastisch das, was jeder Nationalismus nur m e t a p h o r i s c h meinen kann (und z.T. meinen muß, weil d i e j e n i g e Vielheit, auf die er abzielt, meistens als solche tot ist). Wird also die „Natur" von der Vielheit erfaßt, so sind die Einzelnen einer solchen Vielheit in der Intensität ihres (z. B. wirtschaftlichen) Gegeneinander e i n g e s c h r ä n k t , aus körperhaftem Interesse in ihrem Widerstreit von sich selbst aus begrenzt, weil die eigene physiologische Lebendigkeit von einem Gesamtheitsmoment völlig unmetaphorisch mit bedingt ist. D i e s e r Z u s a m m e n h a n g , der n a t u r g e m ä ß w e d e r ein „ r e i n g e i s t i g e r " n o c h ein bloß b i o l o g i s c h - k a u s a l e r sein kann (denn beide erfüllen die a n g e g e b e n e n B e d i n g u n g e n nicht) ist — e x i s t i e r e n d o d e r nicht, conditio sine q u a non und die einzige einer k a t a s t r o p h e n l o s e n O r d n u n g . Denn nur so kann niemals das körperhafte Interesse des Einzelnen bis zur Explosionsgefahr gegen die Gesamtheit oder Teile von ihr gerichtet sein. Die Frage eines solchen Zusammenhangs aber ist aller auf „Einzelsinnlichkeit" abgestellten Wissenschaft unzugänglich. Es gilt im Ausmaß dieses Gedankenganges nicht, das Bestehen dieser Verbindung evident zu machen, es gilt, das Abhängigkeitsverhältnis aller soziologischen Fragestellung von dem Oegebensein oder Nichtgegebensein jener Verbindung aufzuzeigen und methodologisch darzutun, daß dieses Problem real ist, der Ausfall seiner Lösung alles entscheidet, und daß seine umfänglichste Inangriffnahme und Fortführung Anfang und Zentrum aller wirkliche!? Politik ist, daß alles übrige „politische" Tun letzten Endes und nicht nur letzten Endes ein sinn- und erfolgloses Umherirren sein muß. Dieses P r o b l e m ist nämlich n i c h t s a n d e r e s als ein A u s d r u c k des p s y c h o p h y s i o l o g i s c h e n , und wir haben auch hier die Möglichkeit, aus einer

scheinbaren Häufung von Schwierigkeiten — da die Fragwürdigkeiten zweier Bereiche auf einer Zone zusammentreffen — Vprteil zu ziehen, weil so neue Faktoren in die Rechnung eintreten. Das wollen wir in größter Zusammendrängung andeuten: Wir können nämlich vermuten und werden es bestätigt finden, daß die unerhörte Widerstandskraft der psychophysiologischen Verkettungsfrage zu einem großen Teil davon bedingt ist, daß wir dauernd eine psychische Größe mit Materialität i n n e r h a l b des E i n z e l i n d i v i d u u m s in Verbindung zu bringen trachteten, das möglicherweise gamicht den Treffpunkt bildet, oder nur von der physiologischen Seite aus gesehen bilden müßte, nicht notwendig aber von der psychischen Seite aus. Denn der Geist und sein Organismus sind insofern unhomogen und in keine Kommensurabilität zu bringen, weil der Körper in einen biologischen Vielheits-Nexus eingestellt ist, wofür sich in allen Elementen des „naturgegebenen" Bewußtseins kein Analogon und kein Anhalt findet. Infolgedessen empfindet das Bewußtsein, dem nur begreifbar sein kann, was aus ihm selbst deduzierbar ist, den Körper als etwas a u ß e r h a l b s e i n e r Entstandenes, als ein buchstäblich „Hetero-genes". Dieses Bewußtsein ist für den Körper in gewissem Sinne zu kurz. Es gibt scheinbar kein Bewußtseinselement, das mir die Konstruktion meines Körpers vermittelt. Während es für den G e b r a u c h meines Körpers Anschauungsformen des Geistes gibt, gibt es für seine A n l a g e scheinbar nichts dergleichen. Für Körper von a u ß e n gibt es Formen, für Körper von innen nicht. Die Einzel-Sinnlichkeit reicht l o g i s c h (nicht etwa historisch) nicht so weit wie die Genetik des eigenen Körpers, und sie kann nicht so weit reichen, weil es für das restlose Begreifen der eigenen Materialität — womit in der Tat das psychophysiologische Problem gelöst wäre — nicht auf die zyklisch-biologische, sondern auf die einmalig-kausale Genese ankommt. Einmalig-kausale Genese bedeutet, im Gegensatz zu der sich immer wiederholenden biologischen causa, in der ein Ablauf bereits vorgezeichnet ist, die causa zu dieser Vorzeichnung — die Konstruktions-Ursache, weiche nicht gemäß naiver Vermutung eine Einzel-Ursache, nur am » A n f a n g " , sondern eine Q u e r - oder KonzentrationsUrsache wäre. Ein Anschauungsmoment für die einmalig-kausale Genese aber kann in dem Umkreis einer Einzel-Sinnlichkeit unmöglich anzutreffen sein, denn diese ist wiederum keine kommensurable psychische Größe für den Umfang eines Ereignisses wie das einer ailen biologischen Kreislauf konzentrierenden Kausalität So kommen psychische und physiologische Data nicht zusammen d. i. so bleibt das psychophysiologische Problem unhandlich w e g e n der v ö l l i g e n Ung e k l ä r t h e i t des V i e l h e i t s m o m e n t s . Die R e a l i t ä t einer V i e l h e i t s e x i s t e n z ist a l s o d e r Punkt, von dem in g l e i c h e r W e i s e das p s y c h o p h y s i o l o g i s c h e wie im t i e f s t e n Grunde das s o z i o l o g i s c h e Problem a b h ä n g t , und damit ist die Unerläßlichkeit einer

Entscheidung der naturwissenschaftlichen Grenz-Aufgabe für ein die wirkliche Macht der Überlegung einsetzendes politisches Beginnen gegeben. Die historisch verstandene „Politik" beurteilt alles so, als ob es nur den Einzelnen in n-facher Wiederholung gäbe, und übersieht, daß dieser Wiederholung ein Sinn zukommen muß, demzufolge die V i e l h e i t als s o l c h e eine ebenso originäre Existenz-Geltung haben könnte als „ E i n z e l h e i t " . Vielheit ist nicht als das bloß „geistige Band" der „allein realen" Einzelnen, sie ist selbst als Realität zu verstehen, deren Sinn zu ermitteln ist Soll nun nicht die logisch wie ethisch gleich gefährliche Loslösung der Zweck- und Sinnhaftigkeit von der Frage der Existenz stattfinden, wobei es für die Systematik, die eine transzendente Realität einsetzt, nur darauf ankommt, nicht diese mit empirischer Realität zu vermengen, denn diese ist für die Sinnfrage belanglos, jene entscheidend — — d.h. sollen also nicht Beziehungen zwischen psychischen Einheiten ohne das Fundament einer Wirklichkeit statuiert werden, so bleibt entweder die Dogmatik des entschiedenen Materialismus, nach der der faktischen Vielheit einzig im quantitativen Verstände ein Sinn zukommt, oder es gilt die nachstehende Möglichkeit: Da A d d i t i o n in geistigem Betracht nicht möglich ist, so kann, soll Vielheit auf der Ebene der psychischen Realität überhaupt eine Bedeutung haben, unter Ausschluß des oben Dargestellten die Existenz von Vielheit auf dieser Ebene gleichfalls nur die Möglichkeit einer Steigerbarkeit bedeuten. Diese Intensivierung kann aber nicht, wie durch physiologische Anhäufung, in die Breite gehen und von der zahlenmäßigen Vervielfachung abhängen, sie kann, da Bewußtsein ein prinzipielles „Innen" von unbegrenzter Ausschließlichkeit ist, nur in einer Erweiterbarkeit dieses Innen liegen, d. h. in e i n e r E i n b e z i e h u n g u r s p r ü n g l i c h f r e m d e r p s y c h i s c h e r F a k t o r e n in eine e i n z i g e B e w u ß t h e i t Alle philosophischen Fragwürdigkeiten, und nicht nur die philosophischen, wie wir dartun wollen, laufen im psychophysiologischen Problem zusammen, das quer durch jede beliebige Systematik, von der materialistischsten bis zur illusionistischen, einen Riß durch das Denken treibt, den weder diese noch jene, noch eine parallelistische Schematisierung zu heilen vermögen, und der sich der jeweiligen Erklärungshypothese hartnäckig als die Beziehungslosigkeit aufdrängt, die zwischen einer Begebenheit, deren Körperhaftigkeit zum mindesten ungreifbar ist, der psychischen, und ihrem physischen Parallelvorgang oder — bei anderer Dogmatik — zwischen der Empfindung des Bewußtseins und der Empfindung der Ausdehnung klafft (denn dadurch, daß ich beides subjektiv fasse und es etwa „Empfindungen" oder ähnlich nenne, habe ich wieder den auseinanderstrebenden Inhalt solcher Empfindungen keineswegs überbrückt). Da nun in dem Umkreis der bekannten Bewußtheiten ein Zusammentreffen des psychischen und des materiellen Moments noch nicht zu finden ist, so muß dies

darauf zurückzuführen sein, daß dessen Inhalt, der, wohin auch immer durch ein Schema gewendet, im Prinzip derselbe bleibt, als solcher zu klein ist Bei einer methodologischen Untersuchung, welche Faktoren denn nun unter den zunächst l o g i s c h systematischen Elementen eines Bewußtseins fehlen oder als solche verkannt sein könnten, würde man auf die Frage der direkten Beziehung von verschiedenen Bewußtseinseinheiten stoßen. Diese scheint zu fehlen. Wenigstens vermöchten wir für sie im Gegensatz zu der direkten Beziehung von Bewußtsein und eigener Materialität, d. i. Körper, im Gegensatz sogar zu der direkten Beziehung zwischen Bewußtsein und fremder Materialität, ohne weiteres keine Form anzugeben. — Ich bin mir fremder Materie unmittelbar gewiß und sollte es fremder Bewußtheit nur durch deren Vermittlung sein? (Der Einwand, ich wäre des eigenen Bewußtseins auch nur „mittels" der Materialität, nämlich der eigenen, gewiß, trifft deshalb nicht, weil diese Gewißheit sowohl des eigenen Bewußtseins wie der fremden Materialität sich bis zu einem Modus der „ W a h r n e h m u n g " — wenn auch der inneren — verdichtet, auf den allein es hier ankommt; die externe Bewußtheit als solche aber könnte in dem angenommenen Fall lediglich „erschlossen" werden, und es ist logisch-systematisch zumindest nicht einzusehen, warum die Perception fremder Bewußtheit an der Wahrnehmbarkeit — wenn auch nicht „von .außen" — nicht teilhaben sollte, die ja auch „mittels" der Materialität vor sich gehen könnte: aber als E m p f i n d b a r k e i t , nicht als — Syllogismus.) Die Perception eines Phänomens, das meiner Personalität der Struktur nach n ä h e r sein muß, als das der fremden Materialität, sollte gleichwohl auf e n t f e r n t e r e Methode als die Perception dieser Materialität vor sich gehen? Nun, eine genauere Untersuchung würde zeigen, daß, wenn dem so wäre, der Solipsismus recht hätte und ein jeder sich nur einer Unzahl von fremden Automaten gegenüber fühlte. Dieses Minus an Umkreis des Einzelbewußtseins deutet ebenfalls auf die transzendente Realität der Vielheit im Sinne einer — da es „Bewußtsein von außen" als solches nicht geben kann — Potenzierung einer einzelnen Bewußtseinsgröße, in deren Erweiterungskreis alsdann diejenigen körperhaften Momente fallen müßten, die außerhalb der unmodifizierten psychischen Einheit liegen: wie schon angedeutet, die genetischen. Es leuchtet ein, daß für die Konception gerade des genetisch-konstruktiven Elements des Organismus die Vorstellung einer sozusagen psychischen Gesamteinheit logisch unerläßlich ist; denn nur in dieser ist überhaupt das geistige Komplement das g e i s t i g e Parallelfaktum zu der eine biologische Einmaligkeit zum Ausdruck bringenden einmaligen Körper-Kausalität vorhanden, aus der allein dessen Konstruktion begreifbar werden kann. Da es sich hierbei keineswegs um eine bloß-logische, sondern durchaus um eine der Exaktheit der Sinneserfahrung adäquate, unmittelbare Erfahrung handelt, so ist zumindest der Begriff gegeben, in dem oben von einer Erweiterung der „gesetzmäßigen Anschauung",

also der Behandelbarkeit eines Naturgegebenen, die Rede war. Naturgegeben kann nämlich nicht notwendig unveränderlich bedeuten, am wenigsten dann, wenn die Naturgegebenheit in sich so zwiespältig ist, daß sie das Vorhandensein eines e c h t e n Problems zuläßt Denn es ist nicht angängig, alles Problemhafte in uns zu verlegen, gleich als ob diesem »Uns" noch ein zur Fehlerlosigkeit fähiges Subjekt entspräche. Dies ist nicht immer der Fäll, am wenigsten aber bei den der „Unlösbarkeit" verdächtigen Problemen. Diese bedeuten einen Fehler in „unserer Natur", von dem nicht gesagt ist, daß er nicht korrigierbar wäre: aber ein anderes ist ein logischer oder verstandesmäßiger, ein anderes ein Sinnenfehler, der wiederum nicht mit einer „Täuschung" zu verwechseln ist, sondern eine Begrenzung der Sinnenhaftigkeit ausdrückt, der wir uns nur auf Grund einer anderen überhaupt bewußt werden können: sodaß jede wahre Problem-Empfindung nur auf Grund des Keimes einer anderen („erweiterten" oder wie immer) Sinnlichkeit überhaupt erst zu begreifen ist. Wir stehen vor folgenden Möglichkeiten: Ist das zwei Dinge:

psychophysiologische

Problem

lösbar,

so

gelingen

im

Prinzip

Erstens: Das Bewußtsein bestimmter physiologischer Einzelindividuen ist keine konstante Größe, sondern einer Modifizierbarkeit durch psychische Faktoren einer Vielheit zugänglich, für die ein unmetaphorischer psychophysiologischer Zusammenhang existent ist Zweitens: Mit eben dieser Potenzierung, deren materialreiche Technik Thema eines ganzen Wissenschaftsbereichs ist, ist ein Vorrücken in der Erfahrbarkeit der eigenen Materialität, d. i. des Körpers, nach der Richtung seines Zustandekommens hin gegeben, d. h. ein Zusammentreffen und Ineinsrücken des Bewußtseins mit den genetischen d. i. den konstruktiven Kräften des Organismus (die sonst weit außerhalb des Bewußtseins lagen); das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger als das Prinzip, sie zu h a n d h a b e n , als eine Verschiebung der Zugänglichkeitsgrenze bis in vorher verschlossene Gebiete. Hiermit hätten wir das Paradigma jener erweiterten Sinnenhaftigkeit, die geistige Leistungen von momentaner Wirksamkeit einzusetzen hätte, deren politische Relevanz wir nochmals in konkreto aufzuweisen haben. Aller Fortgang der Philosophie liegt in einer gesteigerten Analysierbarkeit der eigenen Materialität oder des Bewußtseins von ihr. Und wie die Exaktheit der Mathematik und mit ihr die Gesetzlichkeit der ganzen p h y s i k a l i s c h e n W e l t aus einem bestimmten Status u n s e r e r Sinnenhaftigkeit folgt, so ist, um zu einer gesetzmäßigen Anschauung der s o z i o l o g i s c h e n Welt zu gelangen, eine gesteigerte Erfahrbarkeit.der e i g e n e n Materialität notwendig, weil nur in dieser oder, wenn man will, in der „reinen Form" derselben alle Exaktheit beschlossen liegt.

Diese Beziehung von unmodifizierter Sinnenhaftigkeit und objektiver Natur (im engeren Sinne) einerseits und von modifizierter »Anschauung« und der „Seinesgleichen-Welt" (d. i. der naturhaften Wertung der Wiederholung des Einzelnen) andererseits ist auch systematisch evident (man mißverstehe übrigens den Terminus »Anschauung« nicht, der ja z. B. auch Z e i t als Form der „ A n s c h a u u n g " umfaßt). Die Naturerfahrung ist gestaltet, als ob es nur einen Einzelnen gäbe, die Vielheitstatsache ist für sie irrelevant, sie wird entscheidend für die soziologische Problematik. Die diesem Komplex gewidmete Wissenschaft aber stellte sich so ein, als ob der Natur-Begriff vor diesem Komplex zu Ende sei, und ließ eine entwurzelte Normation o h n e Entscheidung über ein Existenz-Fundament einsetzen (die an anderer Stelle wohl begriffene Notwendigkeit transzendenter Realität hier übersehend), gleich als ob die » e i g e n e N a t u r " ein gelöstes Problem sei. (Daß nebenbei die Autonomie der Normation oder die Willensfreiheit durch die Kenntnis der Gesetzmäßigkeit eines Erfahrungsbereichs aufgehoben werden sollte, ist am allerwenigsten dann zu begreifen, wenn eine Gesetzmäßigkeit zwar vorhanden ist, aber aus der Personalität selbst stammt.) Natur-Erfahrung ist so gestaltet, als ob es nur einen Einzelnen gäbe. Abgesehen von dem höchst beachtenswerten Faktum der sogenannten „Allgemeingültigkeit", in dem bereits ein i n t e n s i v e r Ausdruck für die Möglichkeit e x t e r n e r Bewußtheit liegt, bedeutet Natur-Erfahrung dennoch im wesentlichen eine Erfahrung meiner selbst, so weit ich ein biologischEinzelner bin. Die Perception der Vielheit aber bedeutet ebenfalls die Perception meiner selbst, nur nicht biologisch-einzeihaft, sondern biologisch-einmalig, archetypisch-kausal. Es ist (mythologisch ausgedrückt) der Unterschied zwischen Zeugung und (»Schöpfung« oder) Konstruktion. Der Körper, soweit er willkürliches Erfahrungsinstrument ist, gehört dem biologisch Einzelnen — der Körper seiner K o n s t r u k t i o n nach gehört zu einer Einheit, in den die biologische Vervielfachung rückgängig gemacht ist. Wenn somit das Thema der soziologischen Wissenschaft, die Vielheit, für die Aufhellung des eigentlichsten Natur-Problems relevant wird, also in die Naturwissenschaft hineingezogen wird, so darf angenommen werden, daß damit die soziologische Fragestellung von d i e s e r naturhaften Wertung der Vielheit entscheidend beeinflußt werden wird. Der Staat wird Natur, die Antithese hört auf, nicht im banalen Rousseauschen Sinne durch Rückkehr zu einem v e r f l o s s e n e n Status, sondern durch Weitertreiben b e i d e r Pole, nicht nur des Staates, s o n d e r n auch d e r — psychophysiologischen — N a t u r über ihren gegenwärtigen Endpunkt Nichts als- diese gesteigerte Perception meiner selbst aber ist es, die einen Fortgang in Richtung auf das konstruktive Element und eine modifizierte gesetzmäßige Anschauung bedeutet. So wie unsere unmodifizierte Sinnenhaftigkeit die physikalische Welt ergibt, so ergibt die modifizierte in gleicher Weise die Erfahrbarkeit bis dahin trans-

zendenter Verhältnisse ("über diese physikalischen d. i. über die biologisch-einzelhaft-eigenen Grenzen hinaus), buchstäblich metaphysischer Verhältnisse, zu denen auch — so wenig man es bisher glauben mochte — die soziologischen gehören. Alles endlose Mißlingen des soziologischen Problems ruht darauf, daß man es zu kurz fassen wollte und sich nicht in die gewaltige Unternehmung metaphysischer Untersuchung, die allerdings nicht rein-spekulativ zu bewältigen ist, verstricken wollte. Aber es gibt dennoch keinen anderen Ausweg. Der Mensch ist diejenige Form, die in der Systematik der Ganzheit dabei angekommen ist, daß er seine e i g e n e n Verhältnisse nur u n i v e r s a l regeln kann. Darum ist Metaphysik für ihn kein an sich nicht lebensnotwendiger Luxus und Überbau, es ist seine eigene, ihm typische und leben- und todentscheidend unerläßliche Methode, mit sich und seinesgleichen auszukommen. Das Tier ist fertig, der Mensch unfertig: er muß über die Gesamt-Problematik hinweg, um sich auch nur mit sich und seinesgleichen einrichten zu können. Ein vernunftgemäßer Ausdruck der Typenvielfalt der Tierwelt ist bisher verschlossen. Zum Fressen und' Zeugen und Dasein bedarf es ihrer nicht Jedenfalls aber können wir annehmen, daß der Sinn ihrer Existenz, welcher er auch immer sein mag, einlinig und schwankungslos ist Die Vieldeutigkeit und MehrLinigkeit menschlicher Existenz aber kann nicht verstanden werden, wenn es nicht Beziehungslinien aller Totalität sind, die in ihm zusammenlaufen. Er kann sich nicht für eine einlineare Richtung entscheiden, ohne sich tierhaft zu verhallen, der Struktur seiner Vielheit entgegenzuhandeln und sich und seinesgleichen nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Nicht als ob sein W e s e n die bloße soziologische Ordnung wäre, aber selbst diese ist außerhalb seines telos nicht zu erreichen. Weil alles in ihm auf Gesamtheit abgestellt ist, so kommt er nicht aus, wenn er dominierende Einzelbereiche für sich, a b g e s o n d e r t , regeln will, er kommt m a t e r i e l l nicht aus, wenn er nicht diese Materialität in seine Gesamttendenz einstellt, wenn er sie nicht an ihren Ort stellt, der ganz allein universal, d. i. metaphysisch, zu bestimmen ist. Somit ist Metaphysik nicht entlegene Theorie, sondern, sogar ob lösbar oder nicht, der erste Schritt aller Praxis. Freilich nicht eine Metaphysik der körperlosen Abstraktion, nicht eine vom Körper abgelöste Spekulation, welche den Ausgangspunkt aller Philosophie, die p s y c h o - p h y s i o l o g i s c h e Verknüpftheit unter den Füßen verloren hat, nicht eine entwurzelte Dogmatik, die direkt an makrokosmische Fragwürdigkeiten heranwill, die allerdings so lange zu leeren Hülsen und unerfahrbaren Formeln werden müssen, als der W e g zu ihrer Erfahrung außerhalb der Überlegung bleibt, als die psychophysiologische Problematik nicht angegriffen, sondern dahingestellt wird nicht all dies, sondern eine Transzendental-Wissenschaft, die, sich vor

Unmöglichkeits-Erklärungen hütend, aus der disproportionierten Beleuchtung der Körper-Erfahrung und des theoretischen Bewußtseins eine wechselweise Aufhellung und ein experimentales Eindringen versucht Metaphysik in diesem Betracht bedeutet also keine l o g i s c h e Nicht-Erfahrung, die Unmöglichkeit, auf metaphysischem Felde je etwas auszurichten, wird nicht schon in seine Definition gelegt als prinzipielle Nicht-Erfahrbarkeit - wobei man sich dann nicht wundern kann, wenn in der Tat nichts ausgerichtet und eine Unmöglichkeit bewiesen wird — Metaphysik bedeutet nicht l o g i s c h e , sondern nur gleichsam-historische Nicht-Erfahrung. Wir sagen „gleichsam-historisch", weil Metaphysik und Empirie dennoch nicht in e i n e m Z^it-Bewußtsein aufeinander folgen, wie sonst ein „Fortschritt" (dies eben ließ sie als prinzielle Gegensätze erscheinen), sondern weil sie aufeinander folgen wie zwei Bewußtseins-Modi. Und im Maße der Transgression in die selbsteigene Unbekanntheit muß eine Aufdeckung e x t e r n e r Beziehungen fortschreiten, so notwendig, als Außen und Innen ein korrelatives Ganzes bilden. Um nun überhaupt eine Vorstellung von dem geben zu können, was in den Bewußtseinskreis eines also gesteigerten Anschauungs-Vermögens eintreten könnte, müssen wir seine M ö g l i c h k e i t , da ja seine W i r k l i c h k e i t a u ß e r h a l b der hier allein möglichen theoretischen Demonstrationen liegt, zunächst so lange setzen, als wir die Konsequenzen dieser Möglichkeit im System dieses Gedankenkreises als systematisch-bedenkenfrei erweisen müssen. Das heißt: aus dieser Möglichkeit einer Steigerung müssen sich Konsequenzen e r g e b e n , die geeignet sind, das zu leisten, was sonst auf keine Weise zur Ordnung des soziologisch-menschlichen Problems geleistet werden kann. Welche gegenwärtig hauptsächlich verschlossene Erscheinung nun müßte durch jene Erweiterung einiges Licht erhalten? Zunächst die, die vorausgesetzt werden muß, um solche Ausdehnung des Gesichtsfeldes überhaupt erst zu ermöglichen: der psychophysiologische Zusammenhang einer b e s t i m m t e n Vielheit, der über den rein generativen hinausgeht. Und zwar insofern, als er durch einen psychischen Konnex ergänzt wird, der zu körperhafter Wirkung gebracht werden kann, weil die mit dem psychischen Moment der Vielheit zusammenhängende Intensivierung eines Bewußtseins-Inhalts ein Vordringen in die eigene psychophysiologische Verknüpftheit gestattet. Diese körperhafte Wirkung aber würde beweisen, daß es sich hier nicht um einen „rein g e i s t i g e n " Zusammenhang unter den empirischen Repräsentanten einer solchen Vielheit handeln kann, um eine bloß-psychische Beziehung, wie sie in jeder „Kultur-Gemeinschaft" auch vorkommt, um nichts Übertragenes und nichts nur schattenhaft-Wirkliches, sondern um eine unmetaphorisch-reale Verbindung, die — außerhalb des biologisch-zeitlichen, längsfolgenden: des generativen — einen Nexus quer durch die Zahl der zu einer solchen Vielheit gehörenden darstellt.

Die E x i s t e n z e i n e r s o l c h e n E i n h e i t e i n e r b e s t i m m t e n e m p i r i s c h e n Vielheit ist das G r u n d e l e m e n t u n d die B e d i n g u n g k a t a s t r o p h e n l o s e r soziologischer Ordnung. Die Realität der Gesamtheit ist keine in der „logischen Luft" über den Einzelnen schwebende, durch einen theoretischen Machtspruch zur „Realität" ernannte Metapher, wie die Begriffsbildungen der Romantiker von „Volksgeist" und dergleichen, sondern die Realität der Gesamtheit ist eine Erscheinung am E i n z e l n e n , eine am E i n z e l n e n empirisch und logisch aufzuzeigende Modifizierbarkeit, ist die am Einzelnen empirisch auftretende und in ihm sich lokalisierende, erscheinende Potenz einer Gesamtheitsgröße. Diese Einheit, deren Realitätsindizien zur Erscheinung zu bringen sind und die doch nicht nur in die Psyche (das wäre die metaphorische), sondern bis zu deren Treffpunkt mit der Physis des Einzelnen reicht, kann verfallen, sich lösen und aufhören, ohne diese Physis mitzureißen. „Letzten Endes", d. h. auf dem U m w e g über die s o z i o l o g i s c h e V e r h e e r u n g , reißt sie sie mit Ja, diese Generationen überdauernden Explosionen in den Völkern beweisen den vollständigen Verfall solcher Einheiten. Was heute lebt, ist, was die sogenannten Kulturvölker anlangt, in der Tat nur der Einzelne in n-facher Wiederholung, und oberhalb seiner hat die reale Einheit so gut wie aufgehört zu existieren und an ihre Stelle ist die metaphorische, die „ h i s t o r i s c h e " , d.i. lebendig-tote, gefolgt, in deren künstlichen Schranken und in deren erstorbenen Grenzen sich die Völker in Krämpfen winden. Denn es ist etwas verloren gegangen, wovon vielleicht das, was heute, in mediumistisch-umgedeutetem Treiben, „der Kreis" genannt wird, eine schwächliche Vorstellung geben kann. Stellen wir nun die wesentlichsten Konsequenzen einer s o l c h e n realen V e r b i n d u n g zusammen, so ergibt sich zunächst das Hervortreten einzelner empirischer Individuen, nämlich derjenigen, in deren Bewußtheit intensiv eine Steigerung zum Ausdruck kommt Diese Steigerung aber ist keine r e i n - i n t e r n e A n g e l e g e n h e i t , wie etwa der gesteigerte Gesichtskreis der „Philosophen" bei Piaton, welche deshalb nach ihm den „Staat" regieren sollen, solche Potenzierung muß nach a u ß e n t r e t e n , weil sie, wie dargetan, eine gesteigerte Beherrschung des psychophysiologischen Apparats bedeutet Sie muß sich als eine — über die bis dahin normalerweise vorhandene psychophysiologische Einwirkungsmöglichkeit hinausliegende Fähigkeit der Handhabung körperlicher Phänomene äußern. Ein solches Vorrücken im Bereiche der organischen Beziehungen bedeutet, soweit der medizinische und naturwissenschaftliche Forschungskreis in Frage steht, Selbst- und Endzweck. In dem uns vorliegenden Felde soziologischer Problematik aber hat es die nicht abzuschätzende Bedeutung einer L e g i t i m a t i o n .

Einer Legitimierung nämlich für diejenigen Individuen, deren psychische Intensität einer Steigerung über die normale Ebene fähig ist. Mit diesem Kennzeichen, das den Priester der alten Völker zum Arzt und Regenten machte, ist nämlich jenes soziologisch unerläßliche Kriterium eines objektiven Ranges der Menschen gegeben, an dessen Mangel alle Gemeinschaft scheitert. Denn alle Chaotik staatlichen und gemeinschaftlichen Daseins, alle- sinn- und regellosen und verzweifelten Organisierungsversuche, alles Durchund Gegeneinander der Einzelnen springt aus der völligen Dunkelheit, die über jedem Anhalt, jedem Anzeichen ruht, die Menschen naturhaft, d. i. mit allgemeingültiger Exaktheit und widerstandausschließender sinnenhafter Evidenz, zu gruppieren. Ein objektives Kriterium menschlicher Rangordnung kann nicht intern und innerlich sein und wenn tausendmal der psychische Wert der entscheidende ist — — es muß die Physis e r g r e i f e n . In der primitivsten Ordnung menschlicher Gemeinschaft war das Prinzip der Stufenfolge soziologischen Organisiertseins nur p h y s i s c h oder vornehmlich physisch: der Stärkste seines Stammes der Mächtigste. Das war objektiv und sinnenfällig. Der n u r - p s y c h i s c h e Maßstab, nur-geistige Wertunterschied bedeutet aber das Fehlen jeden s o z i o l o g i s c h e n K l a s s i f i z i e r u n g s - P r i n z i p s , weil er, wenn auch zweifellos existent, so doch intern ist. Darum kommt der platonischen Staats-Konception und allen den anderen ihr folgenden, die, einer nicht abzuweisenden Empfindung Genüge leistend, den psychischen Wert als Maßstab anthropologischer Ordnungen ansetzen, bei formaler Gültigkeit eine restlose Unwirklichkeit zu. Einen anderen Ausweg (auf den jene tieferen Geister nicht verfielen) aus dem hoffnungslosen Dilemma: einerseits eine Wertdifferenz unter Menschen anerkennen zu müssen, andererseits diese Differenz unmöglich allgemeingültig formulieren zu können, bildet der gewaltsame Entschluß: die unleugbare Wertdifferenz aus dem Staatsleben dennoch einfach z^t streichen und die Menschen gleich zu setzen, weil man sie nicht klassifizieren kann. Daß aber, wenn Ungleichheit Realität ist, Gleichheit Chaos bedeutet, daß damit der Staat zur Anarchie oder zum Zuchthaus wurde, sah man nicht oder wollte es nicht sehen. Außer dem physischen und außer dem unrealisierbar-psychischen Kennzeichen, d. i. der totalen Abwesenheit eines solchen, aber gibt es das auf dem W e g e über die P s y c h e wieder p h y s i s c h sichtbar werdende Kriterium, und dieses ist das einzige, keinem logischen Einwand unterworfene, mit der ganzen Evidenz der Sinne auftretende, d. i. mit der Unwiderstehbarkeit physischer Gewißheit wirksame Organisierungsprinzip menschlicher Gesamtheiten.

Damit ist aber erst die physische Seite der Umgestaltung der psychophysiologischen Situation getroffen und vor allem noch nicht der Inhalt dessen umschrieben, w o f ü r jene Legitimierung das Zeichen ist. Denn der physiologischen Erweiterung entspricht notwendig ein Vortragen der psychischen Bewußtheit sowohl des körperhaft-eigenen wie — auf Grund jener hinlänglich erkannten Verknüpftheit zwischen sinnenhaften Elementen und Verstand einerseits und der „Natur" andererseits — wie des k ö r p e r l i c h - f r e m d e n O b j e k t s , das heißt der Erkenntnis-Grenze überhaupt dies aber nicht im Sinne einer privaten, von der Empirie abgelösten, und somit für eine Gesamtheit unverbindlichen Spekulation, sondern als eine eben durch das gegebenenfalls auftretende Ergreifen physiologischer Verhältnisse sich als exakt ausweisende O r i e n t i e r u n g in bis dahin m e t a p h y s i s c h e n Beziehungen. Damit ist folgendes gegeben: eine geistige Leistung, die, obzwar die Struktur eines scheinbar fernen Außen zum Thema habend, dennoch in engstem Anschluß an eine sinnenhaft organische Evidenz steht, und in ununterbrochener Verbindung bis an ein körperlich-fundamentales Interesse reicht und es trifft, das noch prim ä r e r als das ö k o n o m i s c h - m a t e r i a l e ist. Dem Träger dieser geistigen Leistung Widerstand bieten, hieße heute sich gegen den Arzt oder den Techniker in seinem eigenen Bezirk zu empören, nur daß beide sich zu jenem verhalten wie die Kopie zur Realität. Anslatt der Wirtschaft wird Leben, Vitalität und Tod in die Mitte des Staats gerückt. Hier liegt somit jene eingangs geforderte geistige Produktion vor, die nicht wie die gegenwärtige Geistigkeit weit hinter der materialen Notwendigkeit einherschwebt, sondern die geeignet ist, m o m e n t a n eingesetzt zu werden, weil sie sowohl an D r a s t i k wie an I n t e r e s s e der primärsten Materialität nicht nur ebenbürtig, sondern sogar v o r g e o r d n e t ist, und dennoch und gerade deswegen psychisch die Perception der fernsten Beziehungen in sich trägt. Das ist es, was wir a u g e n b l i c k l i c h e W i r k s a m k e i t des G e i s t e s nannten, und sie kann — da zur Augenblicklichkeit Materialität nicht entbehrlich ist — nur m e t a p h y s i s c h ausfallen, weil Geist und Körper ein transzendentes Verhältnis bedeuten. Hier ist die Ersetzbarkeit des Geistes gegeben, der Sich als Hervorbringungsprinzip an die Spitze der materialen Bewegung setzt, statt als Erklärungsprinzip hinter ihr her zu «geistern". Der Inhalt dieser geistigen Begebenheiten ist zwar das, was heute »metaphysisch" heißt, aber in einer gänzlich veränderten Empfindung seiner G e g e n w ä r t i g k e i t . Jetzt bezeichnet diese Sphäre ein Entlegenes, von allem Materiellem Fernstes, dann bezeichnet es die- Perception, die Wahrnehmung, die E r f a h r u n g des M a t e r i e l l e n selbst — — dann ist es ein Mittel, das so in Gemeinschaftsverhältnisse eingreift wie heute die Technik, aber ein weit

intensiveres, weil in ihm, das über die »Kunst", die »Technik", die ihren Ersatzcharakter noch immer hat spüren lassen, hinweggreift, die Tendenz des Bewußtseins (die, von Sein oder »Natur« a l l e i n g e l a s s e n , die »Künstlichkeit" bedeutet) und die des Objekts selbst wieder so zusammentreffen wie in allem „bewußtExistierenden". Und wenn alles Bewußtsein, das als »Wissen« im weitesten Sinne wesentlich wird, im Grunde: V o r h e r - W i s s e n meint, so muß, wenn irgend etwas, die metaphysische Perspektive das leisten, was das konkreteste Ziel des Geistes ist: den Lauf des Materiellen zu ü b e r h o l e n . Das kann nicht als »Ideal" gelten — denn es ist praktisch unerläßlich; es gibt keinen anderen Gedanken, der theoretisch den Punkt bezeichnet, von dem aus das blinde Drängen in den Bewegungen sozialer Gesamtheiten zu bändigen ist. Wenn irgend jemand, so ist der „Staatsmann" v e r p f l i c h t e t — vorauszuwissen. Aber die Aufhellung jener metaphysischen Beziehungen wird schon deshalb für die Vielheit verbindlich, weil sie o h n e das E l e m e n t der realen G e s a m t heit u n z u g ä n g l i c h bleibt. Es ist ein Verhalten der Gesamtheit erfordert, damit auf einer Ebene etwas erreicht werde, für die gegenwärtig gerade die Vielheit das gleichgültigste auf der Welt ist. Dieses Verhalten ist das Thema der metaphysischen Gesetzgebungen alter Völker, und mit ihm entsteht das, was in den neueren Zeiten höchstens gelegentlich vage und unwissenschaftlich zu formulieren versucht ward, meistens aber und als Praxis überhaupt unbekannt ist: Das Volk m i t einem schlüssig aufzeigbaren P r o g r a m m — mit einer Bestimmung, welche die bloße Ökonomie, die heute das Richtungsprinzip abgibt, deshalb weit übergreift, weil sie die Leiblichkeit noch r a d i k a l e r angeht als jene. Hier gebraucht der extreme „Idealismus" als Argument den extremen „Materialismus" — denn im Körper kommt der bedingungsloseste Materien-Instinkt mit dem Weg des entlegensten Geistigen zusammen. Es tritt in einem Volke, der metaphysische Z w e c k auf, nicht als ein „idealistisches", d. i, ewig vor tauben Ohren tönendes Postulat, sondern als Bedingung körperhafter Existenz. Mit dem Vorhandensein dieser zwar teleologischen, aber dennoch unübertragen körperhaften Bewegungsrichtung, in der Körper und Geist nur z u g l e i c h motivieren, ist für die Gesamtheit die Gefahr desjenigen Risses vermieden, der droht, wenn die Körper-Tendenzen der Einzelnen oder von Gruppen solcher gegeneinander zu wirken beginnen, was unfehlbar eintreten muß, wenn sie sich v e r s e l b s t ä n d i g e n , d. i. nicht in dieser psychophysiologischen Einheit zusammengeschlossen sind: Hier wird die Verbindung des einzelnen organischen L e b e n s mit der Gesamtheit sichtbar, folglich rückt die Bedeutung des Ökonomischen an die z w e i t e Stelle — — indessen es im Falle des Zerrissenseins des

metaphysischen Nexus zwischen-Körperhaftem und Geistigem notwendig an der ersten Stelle stehen muß. »Ökonomie« aber heißt bestenfalls: Kompromiß von Gegeneinander und jeder Appell an eine b l o ß - g e i s t i g e oder h i s t o r i s c h e oder entlegen generative Einheit, um den Zwiespalt zu beschwören, muß wirkungslos verhallen, wenn die reale Einheit, d. i. die Gemeinschaft der intensivsten theoretisch-konkreten Interessiertheit, verloren gegangen ist. Volk — das hieß einstmals, als Geistiges und Körperliches noch nicht auseinanderstrebten: Stammesgesamtheit, denn in ihr lag das Seelische beschlossen. Heute gibt es keine Völker. Und was es geben wird, wird Stammes- und Problemgemeinschaft, Gemeinschaft der dringendsten theoretisch-leibhaftigen Fragwürdigkeit sein.

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Es ist notwendig, die Luft der politischen Welt vollständig zu verändern. Es liegen heute keine M ö g l i c h k e i t e n in ihr, und höchstens kristallisieren sich in ihr geringfügige und mühsame Varianten des Vergangenen oder platte Umkehrungen des Bestehenden (die zuletzt durchaus nichts a n d e r e s , sondern nur dessen im Grunde identisches Negativ sind). Zum Bewußtsein dieser wahrhaft ungeheuren, erstickenden Sterilität des soziologischen Bereichs kann indessen niemand kommen, der nicht die Sphäre: anderer Konstellationen gespürt hat. Unfruchtbarkeit gehört nicht zur Wirklichkeit Die hiesigen Denker und Dichter haben entweder das Volk in eine furchtbare Gedankenrichtung hineingedrängt, oder sie sind selbst der Ausdruck dieser verheerenden Tendenz: daß nur im »Reiche des Gedankens" Reichtum, Buntheit und Fülle zu erleben sei, daß das Gehirn „weit", die Realität aber „eng" sei, daß der Geist und die Phantasie blühend, die Wirklichkeit nüchtern sei, weshalb man aus dieser zu jenen „flüchtet". Letzten Endes hat das Kantische „Nein" zu aller erfahrbaren Metaphysik einen geradezu ertötenden Erfolg für das ganz k o n k r e t e Dasein gehabt — — oder es ist, wie angedeutet, selbst die Äußerung einer unerhörten Mögjichkeitsarmut im „Realen". Daß die Welt einen unglaublichen Grad der Langeweile oder der tierischsten Sensation (die sehr zusammenhängen) erreicht hat, liegt daran, daß sie von dem r e a l i s i e r b a r e n und lohnenden Anschluß an die Möglichkeiten des Geistes abgeschnitten wurde. V Der Erkenntnis Schranken setzen heißt nämlich dem konkreten Dasein das Blut abschnüren und heißt bereits innerhalb des rein Theoretischen einem Triebe

Grenzen setzen, der sich schon darum nicht begrenzen läßt, weil er mit der Logik schaffenden Fähigkeit selbst zu innerst identisch ist: dem Erkenntnis-Trieb. Hier verlangt ein voluntarisches Element logische Ausdrückbarkeit und eine Legitimierung als logische, nicht als voluntarische Größe: hier ist der Punkt, wo Trieb und Syllogistik angewiesen sind übereinzukommen, nicht zu divergieren, wie sie es gemäß dem Kantischen Votum tun müssen, das den Erkenntnis-Trieb — schweigen heißt. Hier ist der Grenzfall, wo die Nichtbefriedigung eines v o l u n t a r i s c h e n Erfordernisses einen l o g i s c h e n Fehler bedeuten muß, wo dieses voluntarische Erfordernis gleichwohl logisch zufriedengestellt werden muß und nicht durch irgend einen Machtspruch der Voluntas. Die umfangreichere voluntarische Befriedigung bedeutet hier zugleich die größere logische Systematisierbarkeit, und da Ödigkeit und Verdorrtheit des konkreten Daseins entweder die Folge der verschlossenen Realisierbarkeit inhaltreicherer Möglichkeiten ist, die vorerst nur „im Geiste« existieren, oder beides der Ausdruck der gleichen Unfruchtbarkeit — — so ist die vielfältigere, an Auswegen, Mitteln und Möglichkeiten reichere, mannigfaltigere rein voluntarisch befreiende, buntere, „angenehmereTendenz zugleich die theoretisch tiefer gegründete, die willensmäßig erwartete zugleich.die — logisch richtigere: die m e t a p h y s i s c h e A t m o s p h ä r e — die jederzeit alles ermöglichende — — zugleich die e x a k t e r Ü b e r l e g u n g und Einstellung entstammende. An den Anfang aller sozialproblematischen d. i. politischen Besinnung muß daher unumgänglich zu der Einsicht gelangt werden: Alles ist möglich — Unmöglichkeit in menschlichen Dingen ist Übersehen von Mitteln. Denn konkretes Dasein und äußerste Theorie hängen sprunglos zusammen, und nur die Zerreißung dieses Zusammenhangs schafft den Gegensatz zwischen beiden. Es gilt, sich jederzeit bewußt zu halten, daß die entlegenste Forschung: erkenntnistheoretische, transzendentale, grenzmathematische Untersuchung, daß gerade im Bereich des von aller Konkretheit fernsten Gedankenfeldes der Umkehrungspunkt zur rückläufigen Richtung und gerade dort der Aufhellungspunkt für die Konvulsionen der Praxis liegt, wofern man nur die Linie, die von dort zur drastischen Welt führt, an jeder Stelle ihres Laufes erkennt. Der Sinn aller Theorie ist Praxis — — und der Sinn aller Praxis Theorie, und wenn in diesem Weitauseinanderliegenden die Einheit, die praktikable Identität nicht begriffen wird, müssen beide steril bleiben. Im Theoretischen l i e g e n die Möglichkeiten und wenn es gelingt, die pathologische Empirie a n z u s c h l i e ß e n , so gelten sie auch für diese. Es steht nicht fest, was gegeben ist Es gibt kein Gegebenes, keine Wirklichkeit ü b e r der Theorie. Wo die Theorie Nein sagt, ist die Realität in Frage gestellt. Denn Realität ist eine Frage der „Zusammenfassung/?, eine Frage darüber, was zu einer Einheit

gehört. Diese Zusammenfassung aber ist erst „objektiv", wenn die Theorie die äußersten Punkte einer transzendenten Realität festgelegt hat und eine objektmäßige Struktur im Subjektiven, kraft deren sie reale Einheiten zu bezeichnen und von fiktiven zu unterscheiden vermag. Aus bloßem D a s e i n kann nichts entscheidend ergeben, was Wirklichkeit werden wird und was nicht; nur dann, wenn auf dies Dasein ein Begreifungstypus beziehbar ist, der aus einem wenn auch vorerst transzendenten Legitimationsbereich stammt, nicht, wenn seine Einheit, unter der es begriffen wird, einer empirischen oder noch nicht einmal empirisch restlosen Systematik entstammt. Man kann aber nicht denken: mag dort die umfänglicher systematisierte Begriffseinheit sein — — hier ist dennoch das F a k t i s c h e auf Seiten der vorläufigen Schematisierungen und das Faktische ist doch wirklich, und das wirkl i c h e r e Zeichen existiert nur — „im Geiste" — — wir sagen : man kann nicht so denken. Denn jenes Unbekannte, X, das die Einheiten erfüllt, das Substrat der Wirklichkeit,; die Drastik als solche, ist beweisend für die jeweils tiefste Form der Realität: das „Ideal", das nur im Geiste dem Faktischen gegenüber verbleibt, und dies nicht logisch und also empirisch notwendig herbeizieht, wie die tiefere Ebene das Wasser aus der flacheren ist das Trugbild eines „Ideals" oder sein Schatten. Wo D r a s t i k ist, da ist die jeweils gegründetste Form des Wirklichen, und wenn sie noch so verneinenswert ist Denn entweder gelingt der tieferen Systematisierung der E x p e r i m e n t a l b e w e i s oder sie ist keine. Und dennoch ist die Faktizität nicht entscheidend für Realität Dennoch ist mancherlei da, was nicht real ist — - weil das Kriterium der Wirklichkeit nicht aus der Oberflächen-Optik kommt, in der willkürliche Einheiten auftreten, die als wirklich gelten, weil sie materiell abgrenzbar sind, indessen die Grenzführung echter Wirklichkeit nicht nur von den Linien der Materialität, sondern von denen aller Elemente der Welt gezeichnet werden muß. Denn Realität heißt letzten Endes: „standhalten", und das Wachsein ist nur darum „realer" als der Traum, weil es den Kriterien nach mehr Elementen standhält als dieser. Das Experiment muß dieser Perspektive rechtgeben: die leere Realität muß vor der erfüllteren zusammenbrechen. Es gibt vielerlei „Zusammenfassungen«, aber wie tief sie an Objektität, an Realität teilhaben, das erweist sich erst, wenn eine tiefer gegründete Wirklichkeit sich neben ihnen bildet, — vor der sie erscheinen, wie ein Bild aus drei Farben gegen eins , aus sieben. Vor den Kriterien der Wirklichkeit aber muß sich alles bloß „Vorhandene« ausweisen und v o r d e m ist nichts gegeben und alles möglich. Das Bewußtsein, daß die Hauptmasse des „Bestehenden" nicht real ist, ist selbst ein realitätschaffender und zerstörender Faktor — eine vorerst rein psychische Einstellung, der erste Schritt in eine intensivere Wirklichkeit

Das Primäre ist darum nicht das Angefülltsein der soziologischen Welt mit Bestehendem und das Sekundäre, das von diesem »Freigelassene", der »Rest", das noch Mögliche, sondern umgekehrt ist eben dies noch Leere das bei weitem Umfänglichere und nur sehr weniges darf sich als wirklich bezeichnen und eine Richtung zu weisen beanspruchen. Denn das den Raum wegnehmende Bestehende als das ewige Hemmnis verdankt seine Konsistenz vorerst einem rein Psychischen: seiner G e l t u n g als Wirklichkeit. Fällt diese Anerkennung, so ist die Atmosphäre gereinigt und die Welt realiter ebenso weit wie das „Gehirn". Hier sollen die p r a k t i s c h e n S i t u a t i o n e n und F o r d e r u n g e n wie siesich, gesehen in dem Medium dieser metaphysischen Atmosphäre, darstellen, angegeben werden: die soziologische Welt ist erfüllt mit unwirklichen Vorhandenheiten. Das sind, — wofür oben die wesentlichsten theoretischen Momente angeführt wurden, — die meisten der großen Zusammenfassungen generativer Gesamtheiten, die wir unter dem Namen der einzelnen N a t i o n e n kennen. Ein von Grund aus anhebendes Einsehen und Eingreifen in die soziologische Wirklichkeit — und nur ein solches hat auch nur die Aussicht, über die Ebene des ewigen politischen Zusammenbrechens einmal hinauszugelangen — kann v o r e r s t alle diese Zusammenfassungen n i c h t a n e r k e n n e n . Wohl beachtet: können unter solcher Perspektive nur diese nicht anerkannt werden, nicht etwa zu Gunsten einer Streichung von nationsähnlichen Einheiten ü b e r h a u p t und nicht zu Gunsten einer Atomisierung der Völker in die „allein realen Einzelnen". Das, was es an Gegebenheiten gibt, die sich den Namen „Volk" beilegen, kann nicht anerkannt werden. Denn es hat - im Großen gesehen — für sich selbst kein unmetaphorisches Leben mehr, sondern wird nur noch „gedacht". Es ist möglich (in geringem Ausmaß sogar wahrscheinlich), daß innerhalb einer oder der anderen dieser historischen Einheiten, die England, Frankreich, Rußland, Deutschland, Italien, Tschechien, Irland oder wie immer heißen, noch Elemente einer echteren Einheit sich finden, aber diese würden nicht in eine der Hüllen passen, wie sie heute um dfe Überbleibsel der einstigen lebendigen Urgebilde aller dieser Größen — schlottern. Das erst gilt es sich vor allem anderen bewußt zu machen: daß diese ungeheuerlichen, die ganze Welt ausfüllenden, überall entscheidenden Größen trotz aller Konkretheit ihrer Äußerungen, trotz fühlbarster Drastik ihrer Einrichtungen, trotzdem von ihnen Tod und Erhaltung ausgeht, — — daß diese allgegenwärtigen Gebilde eine Seite der Schembarkeit aufweisen, n i c h t etwa zu G u n s t e n der realen p h y s i o l o g i s c h e n E i n z e l p e r s o n — was oft gesehen wurde — s o n d e r n g e r a d e zu G u n s t e n e i n e r Realität i h r e r e i g e n e n G a t t u n g . (Nicht nur diesseits der „Fiktion«, die die Einzelnen zusammenfaßt, liegt eine Realität —

eben diese physiologischen Einzelnen — sondern auch jenseits der Fiktion beginnt wieder eine Realität: nämlich die e c h t e d. i. am bestimmten Individuum sichtbar werdende Zusammenfassung der Einzelnen). Das heißtf diese gegenwärtigen politischen Größen sind durchdringlich, nicht, wie oft kindisch gewähnt wurde, von der Realität der Einzelnen, körperhaften Personen, der »Menschen", um »derentwillen schließlich doch alles da sei«, diese Größen sind durchdringlich für eine R e a l i t ä t i h r e r e i g e n e n G a t t u n g , vor der allein sie ihre Unwirklichkeit d. i. ihre Bestandlosigkeit und gleichzeitig ihre konkrete Angreitbarkeit enthüllen müssen, wofern es nicht, was unwahrscheinlich ist, in einem oder dem anderen Falle gelingen sollte, in ihnen Elemente von gleicher Konsistenz aufzuweisen. Für den physiologischen Einzelnen ist die Welt vermauert und verschlossen, er ist ausweglos einer gefährlichen Irrealität ausgeliefert, für die Körperlichkeit einer metaphysischen Einheit ist die Welt leer, und alle diese kolossalischen Hemmnisse sind von geringerer Dichte. Es gilt also einzusehen, daß es nicht notwendig ist, daß das G e g e b e n e die Richtung der »Entwicklung" des Geschehens weist, sondern daß für gewisse Realitäten die Welt frei steht — und das Bewußtsein dieser Situation ist selbst ein objektives, produzierendes Element und erzeugt zunächst das, was wir die metap h y s i s c h e A t m o s p h ä r e nannten. Diese für den Raum' des soziologischen Ablaufs geltende Modifizierbarkeit führt zugleich eine die Zeit-Empfindung betreffende Umschaltung herbei. Wenn nämlich der Bereich dieses Ablaufs frei wird von den überall vorhandenen starren politischen Gebilden, die ständig das Minimum eines noch übrigen Platzes für etwaige Veränderungen übriglassen und bestimmen wenn diese dauernde Unmöglichkeitsperspektive aufgehoben wird, so tritt gleichzeitig an die Stelle einer unendlich langsamen, den Blick ständig auf kommende und ferne Generationen gerichteten Progression das a u g e n b l i c k l i c h e , d. h. längstens eine Generation umfassende Z e i t m a ß für endgültige politische Ziele: denn diese werden ja m ö g l i c h . Es tritt das Zeitmaß der E i n z e l p e r s o n in Verbindung (nicht, wie jetzt, mit Teilen) sondern mit d e m Ganzen äußerster soziologischer Erfordernisse. Denn es wäre absurd, wenn die M ö g l i c h k e i t endgültiger Erfüllungen in den Gesichtskreis tritt, lediglich sozusagen wegen der Größe des Ziels die Erreichung zu vertagen. »Ideal" und „Zukunft" sind gegenwärtig so innig verknotete Assoziationen geworden, daß »Ideal" in der »Gegenwart" vorzustellen gegen alle Denkgewohnheit geht. Und doch ist das nicht nur die Voraussetzung allen nur halbwegs ernst zu nehmenden soziologischen Vorgehens, es ist nicht nur die eigentliche, ursprüngliche, naivselbstverständliche Einstellung — — so wie jemand bei Einrichtung seines Einzeldaseins doch auf dessen Dauer und allenfalls die der Nachfahren, die er erlebt, abstellt, andernfalls aus einem direkten und lebensvollen Motiv ein begriffliches, schales und übertragenes würde — es bietet zugleich das Kriterium: alle politischen

Unternehmungen abzulehnen, die nicht mit bestimmten, aus der Dauer eines Einzellebens entnommenen Zeitmaßen und deren Garantien operieren, analog den Ueberlegungen jemandes, der von einem Endziel, das er in einem bestimmten Zeitpunkt seines Daseins setzt, den Fortgang veranschlagt Hieran sind insbesondere alle Parteien zu erkennen, die ständig für irgend etwas „kämpfen" und bis zu jeder beliebigen Majorität anschwellen können, ohne daß sich das Bild der Außenwelt in wesentlichen Zügen ändert, weil sie zwar zuweilen ein Ziel angeben, aber nicht den Zeitpunkt dieses Ziels, der ad libitum zu vertagen ist — — indessen als untrügliches Kennzeichen gelten sollte, daß j e d e P r o g r a m m a t i k in dem Moment als w i d e r l e g t gelten kann, in dem evident wird, daß sie nach den gemachten Anfängen in ihrer G e n e r a t i o n nicht zu erfüllen ist Jahrzehntelang werden die Anhänger sämtlicher Parteien mit irgendwelchen Fortschritten genarrt, die in ihrer Wesentlichkeit für ein Einzeldasein und für den Einzelnen lächerlich sind, und die Veränderungen, die über dieses Nichts hinwegtäuschen, sind die unwirklichen Variationen in den parteipolitischen Konfigurationen, die für den Einzelnen schon insofern total irrelevant sind, als ihnen jeder Endgültigkeitscharakter fehlt Die metaphysische Perspektive also enthält zwei Wahrnehmungen: Erstens: Das W e s e n t l i c h e s o z i o l o g i s c h e r Wünschbarkeiten ist m ö g l i c h . Zweitens: Es ist s o f o r t möglich. Hiernach erst tritt die aus der Struktur der theoretischen Einleitung folgende Ueberlegung nach konkreten Gestaltungen auf. Nationalismus und Internationalismus haben in gleicher Weise recht und unrecht Im Vorhinein steht bei jedem uralten Streit zu erwarten, daß in dem Streitgegenstand etwas Phantomartiges vorhanden sein muß, das ihn scheinen läßt, was er nicht ist — anderenfalls sofort und eindeutig zu erkennen sein muß, ob er bejahens- oder verneinungswürdig ist Der Streit der Bewegungen um „die Nation" ist eine Antinomie, die sich dadurch auflöst, daß das Streitobjekt, „die Nation", seines Doppelgesichts beraubt wird, das aus einem empirischen und einem ideenmäßigen besteht, und daß an die Stelle dieser Doppeltheit die reale Zusammengefaßtheit gesetzt wird, von der aus gesehen Nationalismus und Internationalismus einen zwar reziproken aber genau g l e i c h e n Wahrheits- und Irrtumsgehalt aufweisen. Der Internationalismus verneint die empirischen Nationen: das ist richtig; aber er verneint die Nation ü b e r h a u p t : das ist falsch. Der Nationalismus bejaht die Nation überhaupt: das ist richtig; aber er bejaht auch die empirische: das ist falsch. Der absolut zu bejahende, d. i. metaphysische Begriff der Nation bejaht das Prinzip der Nation überhaupt: sofern wirkt er national; und verneint die empirischen: sofern wirkt er international.

Wenn es keine Völker gäbe, so müßten welche geschaffen werden. Nun aber gibt es keine Völker. Was könnte also überhaupt geschehen? Hier muß einen Augenblick eine Vergegenwärtigung des prinzipiellen Kausalvorganges der Wesenheit „Volk" stattfinden: und unter den möglichen Annahmen über diesen Prozeß die Auswahl getroffen werden. Es gibt zwei denkbare Vorstellungen über die biologisch-kausalen Antecedentien eines „Volkes": die eine Vorstellung läßt in der Biogenese eines Volkes keinen prinzipiell anderen Vorgang sehen als in der Genese eines physiologischen Einzelindividuums. Danach gibt es eine Biogenese des Volkes als solchen überhaupt nicht, sondern jedes Einzelindividuum kann bei Erfüllung der physiologischen Fortpflanzungsbedingungen sich zum „Volke" vermehren: j e d e s Individuum hat potentiell die Eigenschaft des „Stammvaters". „Volk" ist die lediglich begriffliche Zusammenfassung dieser vielen Einzelnen. Die andere Vorstellung läßt eine zunehmende qualitative biologische Veränderung in denjenigen Individuen erblicken, die sich in der aufsteigenden Linie befinden, insofern nur diesen proportional der zunehmenden Aszendenz das Attribut des S t a m m i n d i v i d u u m s nicht nur wegen ihrer zeitlichen Stellung, sondern auch als biologische Qualifikation zukommt — bis zum letzten Einzelnen der Aszendentenreihe, der nicht nur historisch, sondern eben auch b i o l o g i s c h „der Stammvater" ist Es ist unschwer einzusehen, daß die erste Anschauung einen Primat des Körpers bedeutet, sofern es nämlich lediglich von dem Zeugungswillen und den accidentiellen Bedingungen dazu abhängt, eine beliebige Anzahl von Individuen zu kausieren, während jede B e g r e n z u n g dieser Möglichkeit eben die qualitative biologische Andersheit bedeutet, die das aszendente Individuum von den deszendenten scheidet Wir legen die zweite Anschauung zu Grunde. Diese B e g r e n z u n g bedeutet die Grenze des Volksumfanges, das vorher bestimmte, präformierte Volk, und zu ihrem Zustandekommen muß ein psychisches Element herangezogen werden: wenn nicht das Psychische lediglich die W i r k u n g der materiellen Vermehrung sein soll, (sodaß so viel Personalitäten zur Verfügung zu stehen hätten als eben Körper erzeugt werden,) so muß das psychische Element als v o n A n b e g i n n für den Umfang der möglichen Vervielfachung mitbestimmend gedacht werden. Die biologische Eigenschaft, die das „Stammindividuum" heraushebt, ist nun das Verhältnis seines Körpers zu eben der psychischen Größe, die den Umfang der möglichen Vervielfachung mitbestimmt Diese Beziehung bedeutet also zugleich eine bestimmte p s y c h i s c h e W e r t i g k e i t in B e z u g auf die S t e l l u n g im D e s z e n d e n z - S y s t e m . Der Begrilf „ Stammindividuum" hat nicht nur einen biologischen, sondern auch einen.psychischen Inhalt. Er bedeutet eine ganz besondere psychische Struktur, die aber in Hinstich

zum Körperlichen stehen muß. Ebenso wie etwa die männliche und weibliche Differenzierung gleichzeitig zumindest das Vorhandensein einer p s y c h i s c h e n Typus-Differenz bedeutet (selbst wenn eine wissenschaftliche Formulierung dieser Differenz noch nicht gelänge) — — ebenso muß eine genealogische psychische Differenz in Geltung sein, wenn sie auch erst „im Großen« sichtbar wird und im unmittelbaren Verhältnis der Generationen überhaupt nicht zuzutreffen braucht Um sogleich diese psychische Divergenz anzugeben, deren schematische Grundlegung wir in dieser Erörterung nicht mehr hineinzuziehen haben, soll gesagt werden: daß das allgemeine Moment welches die psychische Wertigkeit in Bezug auf die Stellung im Abstammungs-System kennzeichnet, d i e E n g e des A n s c h l u s s e s der geistigen Welt an die körperliche und u m g e k e h r t ist, die proportional der Aszendenz zunimmt, proportional der Deszendenz abnimmt — freilich nicht notwendig in dem Verhältnis b e n a c h b a r t e r Generationen, wohl aber im prinzipiellen Verhältnis der P o l e einer Generationslinie überhaupt, die sich einmal als der „erzeugende" und der „abstammende" gegenüberstehen. Es gilt hierbei, sich bewußt zu bleiben, daß die Aufzeigung dieser Phänomene zwar empirisch möglich sein muß, daß sie aber in gewisser Weise nichts anderes als die Formen des psychischen Prozesses selber darstellen, sofern denselben eine Kontinuität über Geschlechter zukommt und daß das Verhältnis solcher Formen apriorisch bestimmbar sein muß, wenn es unter psychischen Möglichkeiten ein Prinzip der logischen Reihenfolge gibt, was, unerachtet aller Hegelsch en oder sonstigen Dogmatik, kaum abgewiesen werden kann. Hier ward also als die Situation des „Anfangs" (nicht etwa eine g e r i n g e r e geistige Valenz sondern) eine umfangreichere und intimere Bezogenheit von psychischer und materiaier Wirklichkeit aufeinander angegeben. Dem entspricht die U n w i l l k ü r l i c h k e i t der geistigen Hervorbringungen in den primären Individuen infolge der zahlreicheren und ungehemmteren Kommunikationen zwischen Geist und Körper. Daher die alte Zeit und insonderheit die Urzeit durch das „Gelingen" der geistigen Unternehmungen charakterisiert ist, weil das Psychische in engerem Zusammenhang mit dem Körperlichen über umfänglichere und reichere Mittel gebot aber zugleich auch eben als P s y c h i s c h e s d. i. als d i s t a n t zum Körperlichen weniger hervortrat. Das bedeutet gleichzeitig die Sicherheit gegen die geringere eigentliche Bewußtheit Der Weg war den Früheren intensiver vorgezeichnet: Dem a l t e n V o l k w a r sein p s y c h i s c h e s P r o g r a m m m i t g e g e b e n . Alle Teleologie stand dem Physischen näher, und sie war folgeweise mit dem genealogischen Zusammenhang schon mitgegeben: durch die Stammeseinheit war das geistige Ziel verbürgt und mehr oder weniger mit ihr i d e n t i s c h . Aber in dem Maße, in dem diese unmittelbare Verknüpftheit und der spielende Verkehr zwischen der psychischen und der materiellen Realität nachlassen d. h. in dem

beide auseinandertreten, das Materielle eine extreme Außenheit und das Geistige eine extreme Bewußtheit annehmen,'in eben dem Maße verliert sich die relative Kürze der Verbindung zwischen geistiger und körperlicher Wesenheit Damit ist jener typisch und ewig g e g e n w ä r t i g e Zustand gegeben, in dem das Bewußtsein,, von der Fühlungnahme mit der Welt des Körperlichen abgeschnitten, auf sich selbst angewiesen ist und aus sich selbst die tausend AuswegsSysteme hervorbringt, denen allen die Irrealität d. i. die Unkörperlichkeit anhaftet Diese Berührungslosigkeit der beiden Pole der Wirklichkeit bedeutet Sterilität und Chaos. Die Ebene des Körperhaften ist verschlossen und von ihr aus ist also nichts zu entnehmen, was dennoch die Probleme des leibhaftigen Daseins auflösen könnte. Was ehedem der Geist leistete in dichtem Anschluß an die körperhafte Gegebenheit und ähnlich schwankungslos wie diese, das verfiel mit diesem Zusammenhang. Die Bewußtheit zerstörte diesen Zusammenhang, denn sie erweiterte maßlos die Distanz zu allem Physischen. Diese chaotische Konstellation ist die ewige G e g e n w a r t : allen geistigen Strebungen und Mitteln entspricht kein Körperliches. Die „rein geistigen" Vorschläge, Ideen dieser Epoche entstammen dem richtigen Instinkt, daß auf dem Wege über die entlegenste Bewußtheit zur Lösung zu gelangen sei, aber sie wagen sich nicht weit genug in diese Entlegenheit hinein, weil sie sich allzuweit von den „Tatsachen" zu entfernen fürchten und nicht vermuten, daß nicht nur diesseits s o n d e r n auch j e n s e i t s des BloßGeistigen die Körperlichkeit beginnt d. i., daß der Geist noch auf eine andere Weise mit der Materialität zusammenzutreffen vermag als auf die dem Bewußtsein entzogene oder veräußerlichte. Die weitest getriebene Bewußtheit trifft wieder auf den Körper, nicht mehr nur auf dessen empirische, sondern auf dessen ehedem vor-empirische Seite. Dort liegen die Handhaben, den zerrissenen Nexus zwischen materieller und psychischer Welt wiederzuknüpfen und die, ewige Unfruchtbarkeit mit sich führende, Diskrepanzzwischcn teleologischem und physiologischem Verhalten zu indifferenzieren. Das Schema zeigt die umgekehrte Sachlage als „im Anbeginn«: Vormals: die Physis bringt das geistige Telos "mit sich. Ein biologischer Tatbestand verbürgt einen geistigen. Danach: die Physis und das geistige Telos d i f f e r i e r e n . Geist und Materie entarten zu beziehungslosen pathologischen Selbständigkeiten. Sodann: das Telos wird zu einem konstruktiven Element einer bis dahin prinzipiell nicht gekannten Physis. Ein geistiger Tatbestand verbürgt einen biologischen. Das alte Volk ward mit seinem Programm g e b o r e n . Ein künftiges Volk kann auf Grund einer geistigen Realität g e g r ü n d e t werden in einer Weise, daß die physiologischen Kriterien einer solchen Einheit,

der biologische Zusammenhang q u e r durch die Reihe der Einzelnen, ebenso evident werden, wie beim einstmals „natürlichen" Volk. Aber in allem, was den Geist angeht, überbietet das „Künstliche" die „Natur". Denn was nicht im Bewußtsein ist, kann verloren werden, was aber im Bewußtsein ist, kann stabilisiert werden, und wenn das Bewußtsein die Körperwelt auf einem bis dahin metaphysisch erachteten Wege wieder erreicht, so ist seine Absichtlichkeit der ehemaligen Natürlichkeit s c h l e c h t h i n ü b e r l e g e n ; wie denn, wenn es überhaupt ein „vernünftiges" transzendentales Geschehens-Prinzip gibt, ein solches lediglich darin gesehen werden könnte, daß etwas, was vormals auf blindem, „ n a t ü r l i c h e m " Wege vor sich ging (und darum irgendwann in die Irre ging), durch das Bewußtsein hindurch müsse, um Subjekt und Objekt einsinnig zu gestalten, welches die einzige Möglichkeit einer sogenannten „Weltordnung„ zu sein scheint, wofern das Bewußtsein nur nicht im Bloß-Psychischen haften bleibt. Das alte Volk, das h e i ß t : ein geistiges Programm ward physiologisch geboren. Einst gewährte die Körperwelt eine geistige Aufgabe: eine Teleologie, jetzt stehen wir vor der Möglichkeit, daß eine geistige Notwendigkeit eine Körperlichkeit zusammenzusetzen habe, die auf dem Wege der ehemals wirksamen „Natur" nimmermehr zu erreichen ist Dieser fehlerhafte Gedanke: — die Menschengesamtheit einem Ziele entgegenzuzüchten — ist gedacht worden. Von Nietzsche und anderen. Er ist nur denkbar, wenn die Gesamtheit, die ein Telos zu erfüllen hat, als reale Einheit s c h o n b e s t e h t Von einer schon bestehenden wirklichen Zusammengefaßtheit und deren Bewußtsein aus, das unverlierbar zu machen ist, kann die Natur fortwirken, aber ohne diese Realität und deren Bewußtsein gilt wieder nur der blinde Weg der Materie, die, o h n e in die Form der Einheits-Körperlichkeit gefangen zu sein, vom Geiste nicht angreifbar und also nicht lenkbar ist: es wiederholte sich noch rapider der Irrgang, der schon einmal aus einer Erfüllungs-Epoche heraus in die „Gegenwart" geführt hat Es kann nicht mehr, wie einstmals, die reale Gemeinschaft einer Teleologie gezeugt werden. Die realen „Völker" aber sind tot Somit kann in diesem Zeitpunkt der Welt eine körperhafte Zusammengefaßtheit, ein reales „Volk", nur noch durch ihre schon vorbestehende psychische Wirklichkeit - g e g r ü n d e t werden. Jetzt ist eine p s y c h i s c h e Gegebenheit das Erste — aber ein Psychisches, das im weiteren Verfolg physische Konsequenzen hat —; sein Inhalt entsteht, so oft eine Seite der äußersten entscheidenden Problemsphäre eine augenblickliche, konkrete, zur momentanen Lösung gespannte Gestalt annimmt; und diejenige

Vielheit von beliebigen Einzelnen, auf die jene Gestalt der Frage nicht als nur „philosophische" d. i. ewig Zeit-habende, sondern als private d. i. befristete und persönliche absolut lösungs-verlangende und -mögliche Angelegenheit übergreift, in jenen Einzelnen liegen die Elemente einer „realen Einheit". Denn die Lösungsmöglichkeit und -Notwendigkeit, die den allein betrachteten physiologischen Einzelnen übersteigt, erzeugt hier auf dem psychophysischen Felde etwas, was sonst nur aus der physischen Ebene bekannt ist: die S t e i g e r b a r k e i t d. h. eine reale Wertigkeit der Einzelnen in B e z u g auf a n d e r e d. i. als Summanden — und erzwingt damit zuletzt eine nicht begriffliche, sondern p h y s i s c h e Einheit bestimmter Individuen. Das Instrument zu deren Z u s a m m e n s t e l l u n g ist also ein vorerst g e i s t i g e r Ausdruck der L ö s u n g s m ö g l i c h k e i t einer nicht letztlich als „Wissenschaft" sondern als sozusagen private • Notwendigkeit empfundenen Frage — ist eine solche Lösungsmöglichkeit mit allen ihren Konsequenzen für das konkrete Dasein, die zusammen eine „kulturelle" Atmosphäre bildet, in der die Gesamtheit der von dieser Möglichkeit Betroffenen lebtDenn von dieser Lösung und dieser realen Gesamtheit derivieren, wie oben dargelegt, die Auflösungen der Probleme des k o n k r e t e n Daseins. Diese Konstituierung einer Gesamtheit „von oben her", von der entscheidensten und letzten Frag-Würdigkeit her, bedeutet die radikale Umkehrung der Richtlinie des ewigen Mißlingens: dem Aufbau-Versuch „von unten her" d. h. von der Vor-Behandlung der Probleme des sogenannten p r a k t i s c h e n Daseins v o r den „geistigen". Diese praktischen Probleme, voran die der „Wirtschaft" sind, für sich genommen und vorerst behandelt, u n l ö s b a r . Das bedeutet die jahrtausendalte Katastrophe in diesen Dingen. Damit sicherte sich das Geistige letzten Endes vor der völligen Vergessenheit So gültig das Prinzip von unten nach oben bei der Konstruktion physikalischer Verhältnisse, so ungültig ist es bei der Konstruktion menschlicher. Das ist eine immense Schwierigkeit und gleichzeitig die Garantie, die einzige, des NichtMaterialismus: daß noch die Stillung des Hungers, sicherlich was das Ganze angeht, von der Erfüllung äußerster, vorerst geistiger Voraussetzungen abhängt Die Fälle dieser Kristallisationen von Einheiten um eine teleologische Aufgabe waren in der alten Form und werden in der kommenden Art die die Geschichte lenkenden sein. Aber die «reale Einheit" war und ist der Ausnahme-Fall des „Treffens" unter den zahllosen Möglichkeiten des Geschehens, und unter diesen diejenige, von der aus die anderen Sinn und Maß bekommen. Dieser als „ausgezeichneter" zugleich seltenste Fall mußte gleichwohl in seiner endgültigen, typischsten Gestalt der Schein-Existenz und Metaphorik als anderem

Pol entgegengestellt werden, weil allein die antipodisch r e s t l o s e Umschreibung der Realität überhaupt erst Deutung und Wertung alles Übrigen, Vor-endgültigen gestattet Die reale Einheit nimmt ihren Ausgang von »Oberhalb des Bestehenden", von einem bestimmten Grad geistiger Spannung und ihr Anfang sieht völlig anders aus als »Politik". Sie mußte aber vorerst gezeichnet werden, weil sie den Typus abgibt für eine Struktur, die auch das „ B e s t e h e n d e " erfassen kann, vorausgesetzt, daß Kräfte da sind, die einer anderen Form bedürfen. Was ist nun das soziologisch „Bestehende«? Es ist alles unter Ausschaltung des teleologischen Bewußtseins Gewordene, aber es ist zugleich Reservoir und Material auch der e c h t e n d. i. unter Mitwirkung dieses teleologischen Bewußtseins zustande kommenden Realität. Da aber die Tendenz des teleologischen Bewußtseins in den Situationen des „Anbeginns", der Urzeit, von der „Natur" d. h. in einer u n w i l l k ü r l i c h e n Form gewahrt ist, so laufen, zwischen der Epoche des »Anfangs« und einer vom teleologischen Bewußtsein zu bewirkenden zukünftigen, Verbindungslinien, die nur durch die »Gegenwart" verwirrt und, wenn auch nicht unterbrochen, so doch teilweise unsichtig gemacht werden -r weil wir, im Gegensatz zu den realen Einheiten des Ehemaligen und Kommenden im Gegenwärtigen den Abschnitt der i l l u s i o n ä r e n soziologischen Zusammenfassungen durchlaufen, die dem Chaos in der psychophysischen Beziehung entstammen. Aber diese illusionären Einheiten werden irgendwelche Elemente der einstigen realen enthalten und auf Grund der Geltung alles »Beginnenden« für das Teleologische werden auch diese Schein-Gesamtheiten des „ Bestehenden«, soweit sie noch von der primären Realität bruchstückhaft einen — vornehmlich genealogischen — Anteil haben, wesentlich für die zukünftig zu erreichenden Kristallisationen existenter Volkseinheiten — — werden gerade gewisse von einst unversehrt vererbten Elemente in den im übrigen nur begrifflichen Vielheitsgrößen, »Staaten«, auf die Gestaltungen der kommenden Zusammenfassungen ansprechen. Wie stark nun überhaupt in dem sogenannten Bestehenden, den Einheiten der soziologischen Welt, umfassenderen und untergeordneten, Verwandlungsmächte vorhanden sind, läßt sich so lange nicht mit Sicherheit entscheiden, solange die logische, reale Möglichkeit einer a n d e r e n Bildung als der bestehenden nicht gegeben ist Denn blind kann so wenig ein Schritt gemacht werden, als Erfahrung ohne die Voraussetzungen, die sie ermöglichen. Es können die stärksten Änderungs-Gewalten vorhanden sein, aber sie sind genötigt, einander aufzuheben, wenn sich nicht ein Gefäß öffnet, ihre Wirkung aufzufangen. Alle erdachten Ordnungen aber, ob kapitalistische oder kommunistische, sind Schein-Gefäße, denn sie verkürzen eine Seite des Existierenden und lassen

ein Wesentliches draußen. Ihre Konkretisierung bedeutet notwendig neue Konvulsionen, denn letzten Endes ist die logische Restlosigkeit ein Attribut und Ingredienz der Wirklichkeits-Fähigkeit Hier wurde unternommen, die reale Einheit als die widerspruchsloseste Form aufzuzeigen und ihre Strukturlinien sollen somit ais n o r m a t i v e I n h a l t e formuliert werden, die das Bestehende annehmen kann, wenn anders ihm als solchen die prinzipielle Unzulänglichkeit vindiziert werden muß. Aber in einer Atmosphäre, die über dem Durcheinander, wittert, das aus Realitätsüberbleibseln und Fiktionen besteht und die heutigen »Staaten" bildet — in einer solchen Atmosphäre können diese Inhalte weder eigentlich wahrgenommen, noch etwa gar kompetenzgerecht zur Entscheidung gestellt werden. — — Diese Inhalte setzen bereits eine grundsätzlich andere Anschauungsebene voraus, von der aus sie überhaupt erst systematisch und konkret zugänglich sind, ein Einstellungsniveau, das hier durch die »metaphysische Atmosphäre" bestimmt wurde, deren erstes Zeichen ist, daß die b e s t e h e n d e n E i n h e i t e n als reale Größen überhaupt g e l e u g n e t werden und demzufolge nicht als zu konservierende Fakta in Rechnung gestellt werden. Genauer: Leugnung, nicht im Sinne einer g r u n d sätzlichen Aufhebung dessen, was vorhanden ist, sondern im Sinne seiner Aufhebung für den Fall seiner tieferen Irrealität; ausnahmsloses und grundsätzliches Zitieren a l l e r politischen Einheiten dieser Kulturwelt — auch der hehrsten, »geschichtlich gewordensten« und gefühlsbetontesten — vor dies Gericht der Realität, v o r dessen Entscheidung diese nicht anerkannt werden kann: auch wenn eine der an Alter ehrwürdigsten Zusammenfügungen auf dem Spiele steht, (die für eine weit u m f ä n g l i c h e r e Vielheit verbindlich zu sein beansprucht als die ist, für die sie r e a l i t e r noch verbindlich ist) d. Ii. wenn solche historische Einheit buchstäblich eines halluzinatorischen Charakters teilhaft wird. Um es noch einmal zu sagen: nicht aus einer platt-internationalistischen Perspektive heraus waren alte Einheiten zu bekämpfen, nicht aus dem Dogma des »allein realen Einzelnen" heraus — dies gesetzt, g ä b e es überhaupt keine soziale Problematik — sondern zu Gunsten n e u e r d. i. wirklicherer Einheiten. v Die Z w i s c h e n . - E r s c h e i n u n g e n zwischen der »realen Zusammengefaßtheit" und dem, quoad »Volk", körperlosen Status haben wir vor uns: wenn der Kristallisationspunkt einer Gesamtheit zwar deutlich gegeben ist, aber doch noch nicht der (den Streit zwischen Bewußtsein und Materie o r d n e n d e n ) metaphysischen Intensität entstammt, d. h. in einem mehr physischen oder mehr geistigen Bereich liegt (etwa einem nationalen oder einem ökonomischen) indessen das »gegenwärtige* Schein-Gesamtheitsgebilde ü b e r h a u p t keinen Schwerpunkt hat, oder deren eine ganze Reihe, die sich nicht endgültig auseinanderzusetzen vermögen und die zentrifugalen Erschütterungen in allen „Staaten" bedeuten. Diese Konvulsionen führen nicht etwa aus Gründen einer übergeordneten bindenden Energie: »des Staates«,

nicht zur Zerreißung des Ganzen, sondern nur deshalb, weil sie einander entgegenwirken und sich paralysieren, wobei der Staat nicht etwa die Rolle des stärksten Dritten, sondern nur die des bewußten oder tatsächlichen Kraft-Wenders spielt. Solche Zwischen-Erscheinungen zwischen realer und illusionärer Einheit sind gegeben, sobald die Bindungs-Energie von Teil-Gesamtheiten eine zentrifugale Tendenz annimmt d. i. stärker wird als die Bewertung der Staats-Ganzheit, weil in der Teil-Gesamtheit ein größeres Deckungs-Verhältnis von Einzelnem und Ganzheitauftrittund eben damit diese untergeordnetere Zusammenfassung» wirklicher" wird. Insofern sind gewisse Parteien »wirklicher« als der ihnen übergeordnete »Staat«, und eine Politik, die »Realität« zum Richtungspunkt hat, wird hier vor der Möglichkeit einer faktischen Scheidung, sofern sie bestünde, keineswegs zurückschrecken. Wo die Ansätze oder Keime wirklicherer Gebilde sich zeigen, die in anderen Gruppierungen oder Zusammenschließungen zu erkennen sind, sich um wirts c h a f t l i c h e , a b s t a m m u n g s m ä ß i g e , r e l i g i ö s e oder andere Bindungszentren gebildet haben: K l a s s e n und P a r t e i e n — da hätte ihnen die von teleologischer Einstellung gelenkte Überlegung bedenkenlos die E n t s c h e i d u n g s f r a g e zu stellen: Ob solche Zusammenschlüsse, mit denen die Struktur ihrer historisch übergeordneten staatlichen Einheit unvereinbar widerstreitet, die Intensität und den Inhaltsreichtum, zur e i g e n e n Lebendigkeit in sich tragen und demzufolge aus der alten Einheit auch formenmäßig heraustreten wollen oder nicht Generationen währendes Parteigezänk müßte mit dem Auftreten dieser Möglichkeit verstummen und alles bloß taktische Manövrieren gegeneinander mit einem Schlage seinen übrigbleibenden wahren Absichts-Kern enthüllen: Die meisten der innerstaatlichen oder querstaatlichen Bindungen würden sich vor solcher Alternative als unfähig zur eigenen Existenz bekennen müssen. Sollte aber einmal diese Frage bejaht werden können: etwa von der zum alten Staat am stärksten zentrifugalen, w i r t s c h a f t l i c h e n Schicht, dem »vierten Stand", der für sich eine neue Wirtschaftsordnung erfunden zu haben glaubt, sollte eine solche ganze Klasse in sich eine Kraft des Eigenlebens wahrnehmen, so hätte die metaphysische Perspektive den Blick auf etwas zu lenken, das seit langen Zeiten — von geringen, intensitätlosen und aufs Kasuelle gerichteten Gedanken abgesehen — aus dem Gesichtskreis der weltpolitischen Ueberlegung geraten ist:. Die W a n d e r u n g v o n Völkern und G e s a m t h e i t e n als Ganzes. Wohl tauchte gelegentlich die »Abwanderung" von mehr oder weniger zahlreichen Einzelnen, die in eine andere Volksgesamtheit eindringen, als »Ausweg« vor »Übervölkerung" auf — aber kaum ward in neuerer Zeit je ernsthaft ein Unternehmen zu entwerfen versucht, des g l e i c h z e i t i g e n , Millionen umfassenden Sichi n - B e w e g u n g - S e t z e n s g a n z e r V o l k s s c h i c h t e n , eine regelrechte Völkerw a n d e r u n g mit dem Ziel einer neuen t e r r i t o r i a l e n Einheit als Lösungsmittel anders nicht lösbarer Verkrampfungen.

Alle wirtschaftlichen Verteilungs-Künste werden in einem Falle fruchtlos bleiben müssen — und die ewige Sterilität und Aussichtslosigkeit aller politischen Kämpfe zeigt diesen Status — wenn das zu Verteilende, oder die Materie, die zum Leben der Völker verbraucht wird, im Verhältnis zum Umfang der Gesamtheiten n i c h t a u s r e i c h t : Länder oder Rohstoffe. Vergeblich werden sich Ideen von Wirtschafts-Ordnungen bekämpfen, wenn die Zusammenfassungen von MenschenGesamtheiten unnatürliche sind. Solange der V e r k e h r der Welt hindernislos läuft, kann das Mißverhältnis von Land und Gesamtheit ausgeglichen werden, aber damit schneidet eine einzige größere der tausend möglichen Störungen allen Völkern den Atem ab, die aus eigenem Material nicht zu existieren vermögen. So gibt es nur ein logisches Entweder-Oder: r e i b u n g s l o s e r V e r k e h r oder W a n d e r u n g der V ö l k e r : das ist entweder T r a n s p o r t der Güter des physiologischen Daseins oder A u f s u c h e n dieser. Hier kann bei weitem nicht von den Ländern die Rede sein, die unberührt im Übermaß daliegen, noch von allem Einzelnen dieser Möglichkeiten — denn es kann nicht bestritten werden, daß letzten Endes die gesamte Menschheit von der Summe der bearbeiteten Länder erhalten wird — nur eine prinzipielle Überlegung ist anzudeuten: Der Sturmlauf gegen das „kapitalistische System" muß ewig vergeblich sein am O r t e s e i n e r G e l t u n g . Der Kapitalismus ist das mächtigste und tiefste aller Systeme und kann jeden Einwand gegen sich einbeziehen im G e b i e t seines I n - K r a f t - s e i n s . Um gegen den Kapitalismus überhaupt etwas auszurichten, ist es vor allem unerläßlich, aus seinem W i r k u n g s b e r e i c h h e r a u s z u t r e t e n , denn innerhalb dessen vermag er jede Gegenwirkung aufzusaugen. Das r ä u m l i c h e Verlassen der kapitalistischen Herrschaftsgebiete ist somit unausweichliches Gebot für alle Zusammenfassungen, die sich einen anderen Grundriß ihres materiellen Daseins erstreben und für diejenigen, die das durchaus nicht erstreben, würde diese Loslösung zuletzt doch die Befreiung von einer ebenso wenig abzuweisenden wie zufriedenzustellenden Macht bedeuten. Betraf dieses Prinzip der V ö l k e r w a n d e r u n g , das in manchem Betracht den Bürgerkrieg ablösen kann, eine wesentliche Voraussetzung zur Entstehung wirklicherer Einheiten: die Entwirrung der zentrifugalen Tendenzen, die den Tod jeder realen Zusammengefaßtheit im Anbeginn bedeuten müßten — betraf dieses Prinzip der Verselbständigung von Gesamtheiten die ä u ß e r e Umgrenzung des Materials zu einer möglichen realen Einheit, so gilt es noch die unumgänglichsten Bedingungen ihrer i n n e r e n S t r u k t u r in normativen Fassungen aufzustellen. Es handelt sich um die Zentrai-Frage aller Gesamtheitsordnung: die der K l a s s i f i z i e r u n g von Menschen.

In der realen Einheit ist gemäß dem in der theoretischen Ableitung Angegebenen, das Problem des o b j e k t i v e n R a n g e s gelöst Auf alle soziologischen Erscheinungen, die v o r diesem typischen vollendeten Fall eines Zusammen liegen, sind nun dessen fundamentale Gültigkeiten sogleich dergestalt zu übertragen: Daß die psychophysischen Attribute oder deren Konsequenzen, die in der realen Einheit als objektive Kennzeichen gewisse Individuen herausheben, in allen Vor Stadien einer metaphysischen Gesamtheit in Gestalt strikter, momentan zu erfüllender F o r d e r u n g e n gesetzt werden, denen die eine Lenkung des ganzen beanspruchenden Individuen sich zu unterwerfen haben, w i e w o h l ihnen die aus einer metaphysischen Gebundenheit resultierende S t e i g e r u n g ihrer Fähigkeiten noch nicht zur Verfügung s t e h t • Das heißt: es ist eine metaphysische Perspektive a n z u s e t z e n , obzwar die Voraussetzungen des vollendeten Status noch nicht oder nur unvollkommen (etwa nur vorwiegend psychisch) gegeben sind. Dennoch gibt es keinen anderen Modus, weder einen über das empirische Niveau hinaus liegenden Zustand zu erreichen, noch objektive Kriterien für realiter rangunterschiedene Einzelne zu stabilieren, als die Bedingungen dieses ErfüllungsStadiums vorher g e w i l l k ü r t zu s e t z e n : das ist die in einer metaphysischen Atmosphäre zutreffende Optik. Damit geschieht eine vollkommene Umkehrung aller der die „gegenwärtige" ungesteigerte Situation beherrschenden Geltungen für den T y p u s d e s zu e i n e r „R e g i e r u n g" B e f u g t e n . Eine unumgängliche Vorbedingung dafür, daß ein bestimmtes Individuum kein psychophysiologisch abgetrennter Einzelner sei, sondern bis in die empiriebedingend-materiale Existenz hinein über das gewöhnliche Maß eine GesamtheitsRealität darstelle, ist selbstverständlich die, daß nicht gerade durch die Beziehung zur Gesamtheitsgröße dieses psychophysiologische A b g e t r e n n t h e i t s-Dasein irgendwie g e s t ä r k t und gefördert werde, wodurch der Accent immer auf dieses letztere fällt: dahin gehören sämtliche m a t e r i e l l e n , der psychophysiologischen Einzelperson zukommenden V o r t e i l e , die die illusionäreSocietas verschwenderisch auf ihre Leitenden ausschüttet. Jede E n t g e l t l i c h k e i t und gar die Gestaltung der entscheidenden Einwirkungsmöglichkeit auf eine soziologische Einheit als ein B e r u f bedeutet im Vorhinein das Zerschneiden der Verbindungslinien, ohne die eine reale Zusammengefaßtheit nicht konstituiert werden kann: die a b s o l u t e E n t s c h ä d i g u n g s l o s i g k e i t der irgendwie richtunggebenden Einzelnen ist somit erste indiskutabelste Voraussetzung. Es sei hinzugefügt, daß das unbedingt Lebensnotwendige nicht ausgeschlossen sein kann, daß aber im Hinblick auf das E i n z e l sein die e n t s c h e i d e n d e n Elemente in einer nicht scheinbaren

Vielheit eher der schlechtestgestellten als der bestgestellten ökonomischen Schicht zu gleichen haben. In der metaphorischen „Gesamtheit" bleibt der Einzelne, der an die Führung herantritt, insofern ein Einzelner, als er nur das, was er nach „bestem Wissen und Gewissen" ausrichtet, zu vertreten hat und nur für den „guten Willen" verantwortlich ist Das M i ß g l ü c k e n wird ihm n i c h t zugerechnet, denn er tat, was „in seinen Kräften stand" — er haftet nur sozusagen für diligentia quam suis, für die Anspannung, die er in eigenen Sachen, in den Dingen seines Einzeldaseins einsetzt: er bleibt, wiewohl Lenkender einer Gesamtheit dennoch ein Einzelner, solange — im Großen — die bona fides seine Verantwortung begrenzt Bei jeder Art der wirklichen Zusammengefaßtheit oder im Falle der Orientierung nach ihr haftet der R i c h t u n g g e b e n d e einer G e s a m t h e i t für den Erf o lg. Es tritt eine völlig veränderte Beanspruchung an ihn heran, in dem Moment, da an die Stelle der empirischen eine teleologische Perspektive eingesetzt wird, deren Kennzeichen nicht mehr ist „guter Wille" — sondern das Können schlechthin und nur dieses und ohne die Begrenzung des „ M e n s c h e n m ö g l i c h e n " . Es fällt jede Rücksicht auf eine private Bewußtheit, jedes in Rechnungstellen des besten Willens oder des Einsetzens aller Kräfte eines solchen Einzelnen: es gilt einzig und allein der Erfolg. Und er haftet für diesen mit seiner p h y s i o l o g i s c h e n Existenz: die Vera n t w o r t u n g ist unbedingt eine l e i b l i c h e : das Mißlingen einer von ihm geleiteten gesamtheitlichen Unternehmung trifft ihn ausnahmslos k ö r p e r l i c h ; er steht nicht mit seinem „Ansehen" und seinem „Ruf für die selbstverständlich bona fide vorgenommenen sozialen Operationen ein, sondern mit seinem Leben. Nicht anders steht es bei der Verbundenheit von Societas und einzelner physiologischer Existenz und anders kann es folgeweise auch nicht bei einer Einrichtung nach dieser, einstweilen metaphysischen, Ordnung gelten — — indessen alle die „Achtung" und den „Namen" eines Leitenden treffenden Konsequenzen recht aus dem Geiste der Metaphorik stammen und der illusionären Gesamtheitsgebilde: denn noch immer hatte der also „Betroffene" einen Partei-Anhang um sich, der ihm sein gutes Gewissen und das Bewußtsein, „das Beste gewollt" zu haben erhielt und ihn die „Namensschädigung" ohne Beschwerden ertragen ließ. So befremdlich und so „überwunden" in dieser Kultur-Atmosphäre das Verhalten antiker oder naturhafter Volkseinheiten anmuten mag, die den fehlgreifenden Staatsmann oder den geschlagenen Heerführer an Leib und Leben straften — nicht weil es ihm an bestem Willen und äußerster Einsetzung, sondern am Gelingen fehlte — — so viel näher ist diese Einstellung der objektiven Erkenntnis vom Wes:n einer wirklichen Gesamtheit Gänzlich andere Lebens-Bedingungen gelten für das Individuum, das der Gesamtheit sozusagen „verfallen" ist, als für das mehr oder weniger private

(— — obzwar in der realen Einheit niemand „privat" ist, wenngleich alle an wesensverschiedene Orte der Societas gestellt sind). An dem entscheidenden Punkte einer realen Einheit, bei dem man an eine unmetaphorische psychische „Höhe" zu denken genötigt ist, beginnt nicht nur die Möglichkeitsebene des V o r a u s w i s s e n s — — diesen Punkt innezuhaben bedeutet vor allem für den oder die bestimmten Einzelnen das Auf-sich-nehmen der Bedingung des Vorherwissens auf j e d e n Fall. Denn auch, wenn die psychophysiologischen Voraussetzungen der Steigerung n i c h t oder noch nicht erfüllt sind, so muß dennoch dieses Erfordernis fixiert bleiben, weil es Ingredienz und Richtungspunkt zu einer objektiven soziologischen Einheit ist — — es muß diese Forderung bestehen, selbst wenn ihre Aufstellung und der Versuch, sie zu befriedigen, in Folge jener „normalen" ungesteigerten Situation jedes Risiko in sich birgt Diese Belastung ist ein Symptom, daß man es hier mit der zentralen Angelegenheit des Einzel- und Gesamtheitsdaseins zu tun hat, und daß dieses Problem, ein individuell unlösliches, auch nur durch jene k ö r p e r h a f t e V e r b i n d u n g d i e s e r b e i d e n E x i s t e n z f o r m e n lösbar ist, die oben analysieit wurde diese Sachlage läßt ein Problem in die Mitte aller „politischen" Operationen und in den Interessenpunkt alles öffentlichen Geschehens rücken, statt daß es wie gegenwärtig am Rande aller Konkretheit, in femer spezialphilosophischer Betrachtung eine spärliche und seltene Belichtung erfährt In dieser Umstellung, dieser Vertauschung von möglichen Schwerpunkten soziologischer Wesenheiten, in dem Hervorziehen der fundamentalen Fragwürdigkeiten gegenüber den provisorischen und in ihrem Hineinziehen in das materielle Dasein, erkennt man unschwer das Unterscheidungsmoment, das die naiven, betreffs des Ziels, des telos, in einer einzig möglichen, unbefangenen, selbstverständlichen Einstellung befindlichen voreuropäischen oder nichteuropäischen Gesamtheitsgebilde von dem typisch „ e u r o p ä i s c h e n " trennt: die Erheblichkeit des » P r o p h e t i s m u s " für das ganze soziologische Gefüge. Aber auch o h n e daß die psychophysiologischen Gegebenheiten einer Gemeinschaft so weit potenziert sind, daß sie als eine reale anzusprechen ist, ist allen diesen für den Typus der entscheidenden Personen einer Vielheit normierten Gesetzen zu genügen; denn die Uebernahme aller dieser Bedingungen durch jene Individuen ist das einzige Kriterium der Erkennbarkeit eines realen Wertunterschiedes von Einzelnen in einer Gesamtheit und der objektiven und sichtbaren Klassifizierung in einer solchen. Die objektive Klassifizierbarkeit aber ist essentielle Voraussetzung einer wirklichen Einheit. Welche Inhalte in einem gegebenen Falle ein soziologisches Unternehmen zu verwirklichen habe, liegt weit außerhalb des Umkreises dieser allgemeineren Untersuchung, in der aber einiges über die Mittel der Auffindung der für die

Aufstellung dieser Inhalte nicht entbehrlichen und nicht ersetzbaren Einzelnen aus dem Zusammenhange des Ganzen zu folgern war. Generell aber sei für die Aussichten eines teleologischen Vorhabens daran erinnert: — Zum Wesen einer „theoretischen" Unternehmung gehört durchaus das Ein setzen der Materie. Keineswegs kann von einem irgendwie „geistigen" Versuch eine EinwirkungsGarantie erwartet werden. Die Materie aber nach Art der empiristischen politischen Gewalten wirken zu machen kann nicht im Verfahren eines von der psychischen Ebene, „von oben" aus anhebenden soziologischen Gebildes liegen: Die Macht der illusionären Einheiten bedeutet: die Verbindung dieser metaphorischen Gesamtheit mit der t e c h n i s c h e n Behandlung der Materie. Es gibt aber noch einen anderen Zugang zur Materie — das ist der, der über das psychische Vermögen zu ihr auf dem Wege geht, der an den körpermäßigen Entstehungspunkt der wirklichen Einheit führt (wie oben analysiert wurde), in deren Wesen ihre Stellung zum Materiellen und ihre Machtmitte begründet sind. Es handelt sich nicht um „Geist" und nicht um .Materie", sondern um ihre Auseinandersetzung d. i. Metaphysik.

III. Aber die Energien, die entstehen, so oft und wo überall die Einsicht gelingt, daß die Katastrophe dieser Soziologie ewig sein müsse — diese Energien, die die Luft der politischen Welt laden, werden an einem Kristallisationsgebilde niederschlagen und sich dort binden. Dieses Gebilde einer Zusammenfassung, der Träger solcher Kräfte und Einstellungen wird der Ausgangsort einer im Verhältnis zum Einstmals u m g e k e h r t e n Entstehungsart einer unmetaphorischen, im Reiche des Objektiven, existierenden Gesamtheit: — der psychophysischen (statt der physopsychischen) Genesis; der naturhaft-bewußten (statt der naturhaftunbewußten). Der Ort eines solchen Beginns ist, im Gegensatz zu einer vom b e s t e h e n d e n Staate abzweigenden Forschungseinrichtung eine v o r der Staaten„Wirklichkeit" liegende und solche erst begründende m e t a p o l i t i s c h e u n i v e r s i t a s : ein Indifferenzpunkt der soziologischen Realität, aus dem diese überhaupt erst hervorgeht und ihre Kompetenz nimmt.

Aber das Problem, das diese universitas zu lösen stellt, ist u n m i t t e l b a r kein p o l i t i s c h e s , sondern ein fundamentales; der f o r m a l e Z u s a m m e n s c h l u ß zu seiner Lösung ist das Politische an ihr. Das erste » P o l i t i s c h e " , » P o l i t i k " im » U r a n f a n g * ist z u n ä c h s t u n w i l l k ü r l i c h e B e g l e i t e r s c h e i n u n g einer s i c h auf w e i t Z e n t r a l e r e s r i c h t e n d e n B e w u ß t s e i n s r e i h e . Deren w i r k l i c h e Problematik ist identisch mit einem Ausdruck der metaphysischen und das Soziologische ist hierbei die Hervorbringung einer die Spannung zur Auflösung dieser Aufgabe steigernden Atmosphäre, die aus der Anerkennung aller der Geltungen sich ergibt, die eine reale Gesamtheit zu konstituieren vermögen und aus der Bearbeitung desjenigen Feldes, das um jene zentrale Fragwürdigkeit liegt (Es gilt nicht die »Sammlung von Geistigen« zwecks polit i s c h e r Betätigung — sondern eine Akkumulierung der geistigen Fähigkeit als s o l c h e r zwecks Bezwingung der ihr an sich, eigentümlich gestellten e r k e n n t n i s m ä ß i g e n Aufgabe.) Das bedeutet den Arbeitsbereich jener metapolitischen universitas durch folgende Zielsetzungen abzugrenzen: Es gilt vorerst die Umschaltung in der Wertung der Möglichkeit — Metaphysik: Gerade die e n t l e g e n s t e philosophische Theoretik ist nicht um »reiner Erkenntnis" willen da, sondern um der k o n k r e t e n Bewältigung aller ExistenzPathologie einschließlich der soziologischen willen — — o h n e um deswillen » p r a k t i s c h e " »Weltweisheit" werden z u dürfen. D a s Z i e l d e r „ P h i l o s o phie" ist n i c h t E r k e n n t n i s , s o n d e r n Bewältigung aller Konkretheit a b e r d i e s e s Ziel ist nur e r r e i c h b a r , wenn sie die R i c h t u n g auf r e i n e E r k e n n t n i s innehält. Das Richtunggebende ist die Dignität und Unaufschiebbarkeit gerade der empirie- f e r n s t e n Untersuchung und Einstellung. Die metapolitische universitas i s t gleicherweise selbst der Archetypus einer realen Einheit wie auch das der Ermittelung der Bedingungen solcher gewidmete Unternehmen: Sofern sie das erste ist, k a n n s i e e b e n d a m i t n i c h t u m h i n , bereits eine bestimmte universale d. i. aber völlig „politikferne" Problem-Gestalt zum Zentrum ihrer Existenz zu machen; sofern sie das zweite ist, wird sie, auf das „Bestehende« blickend, in diesem die M a t e r i a l i e n der realen Einheit aufzusuchen und so weit dieselben im Vergangenen und Gegenwärtigen den A u ß e n a n b l i c k solcher Einheiten darstellen, die Masse des T a t s a c h e n haften zusammenzubringen haben. (Die dennoch beileibe nicht » G e s c h i c h t e « , sondern Erzielung von Orientierungspunkten in einem h ö c h s t a k t u e l l e n , noch kaum gegenwärtigen Bereich bedeutet) Die Untersuchung des W e s e n s d e r r e a l e n E i n h e i t , sofern sie faktisch ist, wird sich in zwei Hauptrichtungen begeben: in die eine: die der

Gewinnung der P r i n c i p i e n z u r K o n s t i t u i e r u n g einer wirklichen (d. i. als V o l k wirklichen, nicht als Einzelnen-Begriffs-Gesamtheit existierenden) Zusammengefaßtheit, welche Principien identisch sein werden mit bestimmten psychischen Ausdrücken, die im Zentrum dieses oder jenes realen „Volkes« gestanden haben oder stehen — und in die andere: die der Sichtung der materiellen, p s y c h o p h y s i o l o g i s c h e n Konsequenzen und Erscheinungsformen der realen Einheit Zwei sehr umfangreiche Arsenale sind zu erschöpfen: Was das sogenannte » K u l t u r - V o l k « angeht, so gibt es Fälle der realen Einheit nur in der a l t e n Zeit (und nur unter dieser Perspektive wird es gelingen zu den ebenso provozierenden wie uneinreihbaren Gegebenheiten der „mythologischen Geschichte« überhaupt eine andere als die hilflos umdeutende Stellung zu finden) — das N a t u r - V o l k existiert in dem Status der wirklichen Gesamtheit auch in der g e g e n w ä r t i g e n Periode oder besser: ist in dieser Zeit vorhanden, weil eine Art „geschichtslosen" Daseins ihm eignet, die es zu einem Volk einer „ewigen Urzeit" macht, wie es mit gutem Grunde genannt wurde. Hier ist das p s y c h o p h y s i o l o g i s c h e Material, das auf Kosten einer realen Volks-B i n d u n g kommt, in Sicherheit zu bringen und zu systematisieren. Dieser Behandlung des Bestehenden: — einer Sichtung desselben zur k o n s t r u k t i v e n Bearbeitung — entspricht eine a b w e h r e n d e : der Zusammentragung der empirisch-vorhandenen Elemente in Fällen der realen Einheit korrespondiert die Kritik der ungleich näheren soziologischen Gegebenheiten, die aus unwirklichen »Gesamtheiten« bestehen, und die Zerstörung dieser Tendenzen zur metaphorischen Einheit. Hier werden vornehmlich alle I d e o l o g i e n s ä m t l i c h e r P a r t e i e n zu treffen und zu destruieren sein, nicht etwa von einer „übergeordneten" Staatsganzheit aus, die selbst nichts anderes ist als eine Partei, sondern weil diese Ideologien ständig auf einem nur p e r i p h e r e n Prinzip ruhen, das eben wegen dieser Peripherität niemals eine wirkliche T o t a l i t ä t soziologischer Komplexe konstituieren kann, die allein lebendig d. i. katastrophenlos sein kann und die nur von einem sie universal d. i. z e n t r a l beherrschenden Punkt aus ergriffen werden kann also nicht von einer empirischen „Staats"ganzheit aus (die doch nur T e i l ist), sondern von einem, logisch erfordert, u n i v e r s a l e n Hervorbringungs-Ort aus, in dem alle denkbaren peripheren Gesichtspunkte, alle P a r t e i - Teleologien nicht etwa »verbunden«, sondern aufgegangen sind. Aufgehoben aber deswegen, weil der Punkt u m f a s s e n d e r Perspektive apriorisch v o r h e r die verschiedenen Strebungen konzentrisch enthält, von denen die Parteiformulationen nachträgliche losgerissene Verselbständigungen sind, aus denen nimmermehr eine Einheit »kombiniert" werden kann, weil diese nur mechanisch ausfallen könnte. Die u m f a s s e n d e metapolitische Einstellung nämlich enthält die antinomischen Tendenzen zwar miteinander

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a u s e i n a n d e r g e s e t z t , aber i m p l i c i t e , weil ihre e x p l i c i t e Form auf etwas a n d e r e s , nämlich auf den oben bezeichneten erkenntnismäßigen Lösungs-Ausdruck gerichtet ist — obwohl von diesem Anderen aus nun gleichfalls explicite ein notwendiges Verhalten derjenigen soziologischen Komplexe analysiert werden kann, die vpn der Parteidogmatik mit Beschlag belegt werden. Somit wird die negierende Wirksamkeit der metapolitischen universitas sein: durch Vergleich mit der an eine E n d g ü l t i g k e i t geketteten soziologischen Regelung die ihrem Wesen nach v o r l ä u f i g e Partei-Systematik zu z e r s t ö r e n : hier muß j e d e Partei in gleicher Weise zu entlarven sein: denn keine kann an wirklich übergeordneter Einstellung teilhaben ohne ihren Begriff aufzugeben. Alle konkreten Versprechungen der Parteien m ü s s e n hinfällig sein, weil Parteien ihrem Wesen nach (als »Teile" von Natur aus) nicht weit genug gehen k ö n n e n , da die extremste Radikalität einer T e i l g r ö ß e mit Notwendigkeit — H y p e r t r o p h i e , damit aber Gewaltsamkeit wird, o h n e diese Hypertrophie aber jedes Ans-Ziel-gelangen unmöglich bleibt Alle Parteien müssen zu unradikal bleiben, wollen sie nicht o f f e n b a r e Katastrophenpolitik treiben, alle sind nur vor die Wahl eines Zuviel oder Zuwenig gestellt und ihrer Natur nach ewig davon ausgeschlossen den organ-konstituierenden Punkt zu treffen. Dies Bewußtsein des vollkommen hoffnungslosen und unentrinnbaren Nichts allen parteipolitischen Aufwandes gilt es hervorzubringen und zwingend überallhin zu fundieren; es gilt im konkreten Fall die Behauptungen einer Partei zunichte zu machen, nicht von der Basis ihrer Gegenparteien, sondern von i h r e r e i g e n e n , a b e r g e s t e i g e r t e n T e n d e n z aus, die, als in einem übergeordnet Anderem — der realen Zusammengefaßtheit und ihrer Teieologie — enthalten, auf diese andere Ebene gebracht, sich nicht nur mit den Prinzipien der Gegenstrebung „verträgt«, sondern sogar auch deren Intensivierung voraussetzt: wie etwa, wenn es einen organisch-„natürliehen« „Vertreter" einer Gesamtheit gäbe, (von dem der sogenannte „geniale Staatsmann" ein zufälliges und einseitig-ungenaues Abbild ist und von dessen wissenschaftlicher Erfaßbarkeit hier die Rede war), der nicht durch eine nur-politische Konstruktion dazu »gemacht« ist, — in diesem äußerste Volksherrschaft und extremste Autokratie in eins treffen müßten. Der notwendige Abstand jeder Partei-Programmatik, das Zurückbleiben ihrer eigenen Forderungen hinter den Gegebenheiten, die durch die Seiten der wirklichen soziologischen Ganzheit ausgedrückt werden, und in Sonderheit die z e i t l i c h e Einstellung der parteihaften Bewegungen sind geeignet, das notwendig Unzureichende auch bei den Mengen derer sinnfällig zu machen, die die obersten Bedingungen weder übersehen können noch müssen; die aber durch die Evidenz jenes Abstandes und der unausweichlichen Alternative zwischen Gewalt oder ewiger Aufschiebung dennoch in unbegrenztem Ausmaß den Parteien abwendig gemacht werden können.

Aber eine solcherart zersetzende Auswirkung der nietapolitischen universitas wäre, sowohl der Entfernung von ihrem Eigentlichen Zentrum nach die ä u ß e r s t e als auch die ihr sichtbarlich antinomischen soziologischen Gegebenheiten am drastischsten und leichtesten treffende. Bezeichnender aber, differentialdiagnostisch die Art und Herkunft ihrer Wirkungen — gegenüber anderswoher kommenden Angriffen — auf das politische Außen schärfer beleuchtend, schwieriger zu sehen, aber von größerer symptomatischer Intensität, spannungsvoller ist das Verhalten der metapolitischen universitas zu dem relativen I n n e n jener Außenwelt, zu deren u n m i t t e l b a r e r Geistigem: zu deren w i s s e n s c h a f t l i c h & r Erscheinung und zu jener nach innen hin gewandten Energie, die „Kunst" heißt. Aus dem Wesen der metapolitischen universitas folgt für das Faktum „Wissenschaft" zuerst, daß es eine F r e i h e i t des G e i s t e s genauer eine solche des F o r s c h e u s im geltenden Verstände nicht geben kann, und wenn auch diese Freiheit nicht von außen eingeschränkt werden kann, so ist doch der Geist selbst eine verbietende und gewährende Instanz und ein prinzipielles Gewähren aller Geistesbetätigungen liegt dann nicht in seiner Natur, wenn in dieser ein Gerichtetsein und eine teleologische Struktur angesetzt ist. Es stünde danach nicht frei, beliebige Antriebe der Untersuchung, auch wenn ihnen noch so exakt Folge geleistet werden könnte, und auch wenn sie unter die Kategorie einer bestehenden Disziplin fielen, unter der Idee der »Wissenschaft" zu begreifen. Zu der bisher einzigen Bedingung der Wissenschaftlichkeit, nämlich der M e t h o d e des Vorgehens, tritt »vielmehr noch die einer von e i n e m o b e r s t e n P r o b l e m - A u s d r u c k u n u n t e r b r o c h e n fortlaufend l e g i t i m i e r b a r e n F r a g e s t e l l u n g . Es hätte die denkbar i n t e n s i v s t e V e r k ü r z u n g des gesamten WissenschaftsBereichs stattzufinden, der zu einer e i n z i g e n Gerichtetheit und Übersehbarkeit zusammenzuziehen wäre, indem der Abstand, ja der Bruch zwischen der Betätigung auf einem konkreten Erfahrungsfelde und der von diesem abgewandten Einstellung durch die a k t u e l l s t e , in keinem Moment aussetzende Kommunikation — indem diese Diskrepanz als Hemmungsmoment einer einzigen Lebendigkeitsgröße so ausgeschaltet wird. Der Riß entstand, indem aller wißbare Inhalt in das Erfahrungsreservoir und seine Erkenntnis glitt, der „Philosophie" aber kaum mehr als die F o r m des Wissensmöglichen übrig blieb. Das ist der gegenwärtige Status. Ist indessen, wie oben gesehen wurde, die o b e r s t e P r o b l e m a t i k e i n e s o l c h e , daß ihr t r o t z ihres t r a n s z e n d e n t a l l o g i s c h e n C h a r a k t e r s g e w i s s e Inhalte mit N o t w e n d i g k e i t e i g e n t ü m l i c h v o r b e h a l t e n b l e i b e n , so wird der ständig momentane Zusammenhang mit der Erfahrungs-Durchforschung bestehen und zugleich eine Architektonik der Fragestellungen, die die absolute Einheit aller Wissenschaftsbewegung sicherstellt. Die Scheidung in Materie, als Objekt der Erfahrungswissenschaften und in das (von allem Empirischen möglichst) »reine« Bewußtsein, als Objekt der Philosophie, ergibt mit

Notwendigkeit einesteils die völlige Unverwertbarkeit der „Philosophie" für die Erfahrung, ^anderenteils ihre absolute Bewegungslosigkeit in bezug auf ihre eigene Aufgabe. Diese Scheidung involviert Unfruchtbarkeit Gelingt es aber, eine prinzipielle- und exakte Scheidung in „fremde" und „eigene« Materialität aufzuweisen, davon die erste der Naturwissenschaft zu überweisen ist, die zweite rein durch das Bewußtsein zur Darstellung zu bringen und dem Denken als solchen zuzuerteilen ist, so enthält die Philosophie nicht nur die für die Aufhellung der an sie zu richtenden Forderungen notwendigen Inhalte, sondern auch einen Angriffspunkt für die E r f a h r u n g — ein Gelingen also, das unerläßliche methodologische Bedingungen für eine konkrete Wesentlichkeit und Weiterbewegungs-Fähigkeit der Philosophie ist. Aber bei dieser Konzentration, die die Weite und chaotische Verlaufenheit wieder zu einem bestimmt gerichteten U m r i ß zurückzuholen hätte, würden nicht wenige wissenschaftliche Unternehmungen fallen. Zahllose Fragen und die von ihnen motivierten Bearbeitungen, die sich nicht in diesen Nexus einer bestimmten Struktur eingliedern lassen, hätten zu pausieren und, wenn ihnen eine Legitimierung durch das oberste Telos überhaupt nicht zukommt, aufzuhören. Das heißt: Das „Entbehrliche" irgendwelchen Wissens ist oft behauptet worden. Aber diese Behauptung ist im Falle des mangelnden Kriteriums sinnlos, am sinnlosesten aber, wenn die empirische „Praxis« das Entscheidungsinstrument abgeben sollte. Die hier bezeichnete Aufgabe aber wäre, auf jede Weise darzutun und im eigenen Geltungsbereich verbindlich zu erfüllen; nämlich alle „wissenschaftliche« Bewegung, die über den U m r i ß der auf einem angebbaren Zweck konzentrierten Wissens c h a f t s g e s t a l t u n g — der das Kennzeichen ist — hinausragt, abzuschneiden und zu verursachen, daß diese Hypertrophien bildenden Kräfte durch Unterbindung sich in ihrem Anteil an der Konstituierung des e i g e n t l i c h e n teleologischen Organons entbinden müssen. Aber diese zu einem Teil auflösende Wirkung der metapolitischen universitas ist das Anzeichen einer neu auftretenden prinzipiellen Möglichkeit; es ist nämlich hier dem Gedanken an eine überall denkbare Handhabe Raum zu geben, die V e r w a n d l u n g eines mit unreduzierbaren Entartungen affizierten Erscheinungszusammenhanges zu erzwingen: es gilt nämlich das .Mittel des E l i m i n i e r e n s rein als s o l c h e s einmal in Rechnung zu stellen: es ist a priori zu erwarten, daß eine — wo auch immer angesetzte — umfassende Zurückdrängung und Unterdrückung an und für sich notwendig eine aus dem Grunde kommende Veränderung heraufbringt und also diese durch jene bedingt ist Dennoch gilt es der schweren Mißdeutung auszuweichen, als ob so „Negation um der Negation willen« gefordert würde. Evidentermaßen kann allerdings — da die pathologischen Gegebenheiten in einem solchen verneinten Erfahrungskomplex ohnehin unter der Perspektive ihrer Aufhebbarkeit resultatlas gewertet werden - nur eine. Untere

bindung von solchen Äußerungsformen jenes Komplexes in Frage stehen, die im Vorhinein zu den v ö l l i g l e g i t i m i e r t e n g e h ö r e n . Zweifellos nämlich ist gerade die Konzentration der angreifenden Strebungen auf die als K r a n k h e i t s h e r d e erkannten soziologischen Gebilde, welche eine p o s i t i v e Wertung der übrigen impliciert, Ursacheder unablässigen Sterilität dieses Vorgehens — diese Beschränkung, die ersetzt werden muß durch eine bei weitem umfänglicher ausgreifende Beargwöhnung gerade der »gesundesten" und erstrebtesten Gegenden geistiger Wirksamkeit Denn: wenn die ewige Unlösbarkeit der katastrophalen Phänomene nicht schicksalmäßig „in der Natur der Sache« liegen, sondern einen Grund haben soll, so muß realiter allerdings ein unterirdischer Zusammenhang, ein sonst verborgener Ausdruck g l e i c h l a u f e n d e r Tendenz der ständig unheilvollen und der immer von aller „Schuld" freien Gebiete menschlichen Agierens zu Tage kommen. Die Idee ist also diese: Einer an unheilbaren Mißbildungen erkrankten Erfahrungs-Gesamtheit gegenüber erweist sich der Angriff auf die als entartet e r k e n n b a r e n Komplexe ständig als fruchtlos, während einer Zeitdauer, die rein als solche ein maßloses Mißverhältnis und eine Fehlerquelle bedeutet (Denn die Welt hat nicht für Alles „ewig« „Zeit".) Es gilt sich also darauf zu besinnen, daß es ein Mittel der Umwandlung jener Gesamtheit auf jeden Fall gibt: die Unterdrückung von Energien schlechthin, rein als solche. Diese ist gleichsam a priori gegeben. Davon fortschreitend wird die Überlegung überhaupt erst darauf geführt, völlig gerechtfertigte, ja geförderte Phänomene unter der Perspektive ihrer Negierung zu sehen, um auf diese Weise, heuristisch, zu der Auffindung einer bis dahin verborgenen Identität gewisser konkreter „schuldloser«, ja höchstgewerteter Daseinsäußerungen mit jenen schuldverstrickten gebracht zu werden. Nun aber genügt dieses, obzwar von einer ratio geführte, aber dennoch vornehmlich, zur Willens-Bestimmung vorangehend notwendige Prinzip allein weder zu der Auffindung des angedeuteten nicht offen liegenden Zusammenhanges noch zu der konkret durchzusetzenden Zurückdrängung völlig anerkannter und nicht nur anerkannter Erscheinungen. Was vorerst die Sichtbarmachung jenes Konnexes zwischen dem intensivst beanstandeten Gebiet: — dem der soziologischen Problematik — und irgendwelchem anderen noch unbekannten bisher gültigen Tätigkeits-Feld des Geistes antrifft, so ist klar, daß es eines Dritten bedarf: eines tertium comparationis, eines Berührungs-Zentrums, an dem gemessen, solcherlei Zusammenhänge überhaupt erst evident werden können. Dieses Dritte aber ist die wissenschaftlich transzendentale Einstellung. Deren Antithetik mit der empirisch-soziologischen Pathologie ist hier auseinander gelegt worden. Hätte diese Einstellung n o c h m i t e i n e r a n d e r e n feindlichen Einwirkung zu rechnen, so wäre diese als eine mit dem befehdeten soziologischen Status v e r b u n d e n e , ihn auf irgend eine Weise stützende Instanz zu werten.

Es gibt nun einen Komplex von Bezeugungen, die den Argwohn auf sich lenken, im Effekt jener von Grund aus anhebenden Orientierungstendenz e n t g e g e n z u a r b e i t e n , indem sie die Intensität eines r e a l e n , zu entscheidenden Hervorbringungen in der soziologischen Welt (und damit nicht nur in dieser) fähigen, metaphysischen Ansatzes dauernd ablösen. Der Verdacht: Ursache davon zu sein, daß es nie zu einer metaphysischen Spannung kommt — die in ihren Konsequenzen unabsehbare Anschuldigung, diese hervorbringende Spannung i m m e r w i e d e r d u r c h ein E r s e t z e n i h r e r a b z u s p a n n e n , trifft alle Kunst in b e i n a h e s ä m t l i c h e n w e i t e n Bereichen ihrer Erscheinungsformen. Hier ist nun die an die anderen Unternehmungen der metapolitischen universitas anschließende Aufgabe von allesbedingendem Gewicht: zu entscheiden über die Möglichkeit einer maßlos zerstörerischen Gewalt, die unablässig das Entstehen einer realen metaphysischen Konzentration auflöst, indem sie ihre eigenen, j e n e r ä h n l i c h e n Wirkungen unterschiebt — durch umfängliche Untersuchungen wäre die Gewißheit zu schaffen über das Bestehen einer Macht, die die Ansammlung jener empiriegründenden Intensität durch ihre eigenen „kleinen" transempirischen Entladungen ableitet oder verteilt und „unschädlich" macht, damit aber der katastrophalen Außensphäre von ihrem gefährlichsten Gegner hilft — — es wäre strikt zu entscheiden, ob Kunst nicht so eine tiefe Gemeinsamkeit mit jenem Außen bilde und dessen ebenbürtiges „Innen" abgebe. Dies scheidet den aus metaphysischer Richtung stammenden Angriff von allen bloß „kunstfeindlichen". Die Kunst, die irgendetwas von der Dignität einer „anderen Ordnung" besitzt, wird nie den Argumentationen der „ P r a x i s " und der „irdischen N o t " erliegen, die mit dem Schluß ihrer „Überflüssigkeit" oder ähnlichem operieren — etwa in der Dialektik Piatons oder Tolstois, und niemals können diese Beweisgründe die Kompetenz zu ihrer Eliminierung aufbringen. Denn nicht aus einer dem Motiv zur Kunst entgegengerichteten, e m p i r i s c h e n , sondern einzig aus einer diesem Motiv g l e i c h g e r i c h t e t e n , aber dessen äußerst mögliche Erfüllung zu ü b e r h o l e n fähigen Triebkraft, die die Tendenz zur Kunst so weit treibt, daß sie über den Begriffsumfang „Kunst" weit hinausträgt — — kann ein Legitimiertsein zur Aufhebung der Kunst stammen . Nicht aus einer die Absicht der Kunst v e r n e i n e n d e n , sondern einzig und gerade aus der ihr selbst i n n e w o h n e n d e n , aber sie ü b e r s t e i g e r n d e n , vom Bild zur Wirklichkeit davonführenden Energie kann auch nur die Fähigkeit kommen, jene Kräfte, die die nicht zureichenden Z w i s c h e n gebilde („Kunst" genannt) hervorbringen, zu unterbinden — um sie, durch Sammlung, bis an den Kristallisationspunkt einer — der „zweiten" — Realität zu zwingen. Die konkrete Form aller dieser Verhinderungen und Unterdrückungen wird lediglich und zureichend

den Ausdruck der ritualartigen Verbannung solcher Wirkungen und Wertungen für die sich dieser Perspektive Unterstellenden annehmen. Die Vorstellung dieser verschieden vorgehenden Manifestationen der metapolitischen universitas könnte die Idee dieser universitas verschleiern, wenn sie nicht den Oedanken ausschließt, daß alle diese Äußerungen das Stigma der „Theorie" zu einer unabhängig von ihr existierenden „Praxis" trügen; daß sie gar als Bearbeitungen des Bezirks der „kulturellen" Politik zu gelten hätten, gleich als ob es diesen und daneben andere „Bezirke" gäbe; daß die universitas „zunächst" ein „Gebiet" umfasse, und daß daneben andere „Gebiete" anerkannt würden, die sie „später" möglicherweise einzubeziehen habe. Diese Deutung würde das Prinzip der metapolitischen universitas verfehlen und alle diese' Scheidungen wären schief. Denn es gehört zum Wesen jeder Einzelaktion, die von einer präzis als metaphysisch zu bezeichnenden Einstellung ausgeht, ü b e r d e u t i g zu sein: Das heißt: die „Gebiete", die eine empiristische „Entwicklung" geschaffen hat, passen nur sehr bedingt für das mit dem Kriterium eines metaphysischen Ablaufs zu bestimmende Geschehen. Die durch Begriffe „Theorie" und „Praxis" und die durch teils in ihnen enthaltene Unter-Kollektiva teils anders definierten Bereiche, wie Politik, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, die in der pathologischen Wirrnis p a r a l l e l und hauptsächlich g e t r e n n t — wenn auch mit „Grenzeinwirkung" — fortschreiten, konvergieren in einem als metaphysisch zu bezeichnenden processus dergestalt, daß in einem bestimmten Status dieses Verlaufs jeder Vorgang g l e i c h z e i t i g ein Bewirken in a l l e n jenen Bereichen vorstellt; sodaß solches Vorgehen als theoretisch und praktisch in e i n e m (nämlich als die in jenem Stadium einzig mögliche Praxis, neben der es eine andere — jedenfalls metaphysisch orientierte — g a r n i c h t g i b t , während es eine empiristische Praxis fortwährend neben dem Theoretischen gibt); als „politisch" wie „philosophisch" wie „wirtschaftlich" in e i n e m (nämlich als der in jenem Moment einzig vorhandene Existenzmodus aller dieser Typen) zu erkennen ist Es beruhte somit auf einem vollendeten Fehlschluß, im Stadium der Bearbeitung einer bestimmten metaphysischen Problematik zu fragen, wo demgegenüber etwa die Behandlung der wirtschaftlichen sei; vielmehr i s t in solcher Epoche das Einzige, was zur Auflösung der Fragen wirtschaftlicher Soziologie zu geschehen hat, eben jene von ihr völlig absehende Erkenntnis. Die Idee der metapolitischen universitas kann also nicht wie etwa das Prinzip der Universität ein „Gebiet", die „Wissenschaft", für sich okkupieren und die „anderen" a n d e r e n Mächten überlassen, sondern sie muß, wohl oder übel, prätendieren, das Indifferenz-Gebilde a l l e r denkbaren „Gebiete" zu sein und n i c h t nur das »theoretische« — weil sie das Dasein einer ü b r i g e n Praxis garnicht anerkennen kann. Sie sieht einem nur-wissenschaftlichen Unternehmen der gegenwärtigen

Empirie einzig deshalb ähnlich, weil diejenige apriorische Einheitlichkeit divergenter Erfahrungsbereiche, die deren Bewältigung ermöglicht, (entgegen der natürlichembryonalen Indifferenziertheit, die zum Chaos geführt hat) im Denken stattfindet; denn Metaphysik ist nur die entschlossenste d. i. am weitesten gehende Theoretik. Ih dieser Überdeutigkeit ist das A u f - E i n - M a l des körperkonstituierenden Prinzips wiederzuerkennen, das vorherige Zusammen alles später Differenzierten, das zuvor archetypisch aufeinander bezogen worden sein muß — denn sie ist ein essentiale eines empiriekonstituierenden d. i. metaphysischen Vorgehens überhaupt Nun wird dem Denken das besondere Prädikat, Einheit von Differentem zu sein, gewiß koncediert werden, aber es wird nicht eingesehen werden, wie denn der Ü b e r g a n g von solcher Art Einheiten zu den B e s t i m m t h e i t e n der Erfahrung beschaffen sein solle. Und allerdings wird auf diese Frage nur zweierlei möglich sein: entweder ein allmählicher völliger Verzicht auf Erfüllung der ewig an das Denken zu stellenden Forderungen (welche Forderungen nicht etwa als ein beliebiges „Ansinnen", sondern selbst als logische Notwendigkeiten auszuweisen sind) das ist entweder eine Aufhebung der Erkenntnis selbst — oder die Sichtbarmachung einer die ganze Geschichte des Fehlschlages widerlegenden Möglichkeit einer unvergleichbar zu erhöhenden Leistungsfähigkeit des Denkens. Es gibt für den Fortgang des philosophischen Denkens einen prinzipiell kritischen Punkt Er kann nicht anders bezeichnet werden als durch die Frage einer prinzipiellen Zuwachs-Möglichkeit, die allein einen Gegensatz zu der langen machtlosen Vergangenheit des Denkens bedeutet und somit diese nicht zum Maßstab werden läßt Dieser Zuwachs kann nirgendwoher kommen als aus einer erweiterten Perception der eigenen Materialität, einem Moment, in dem, wie oben analysiert wurde, gleichzeitig das Vorhandensein der empirischen körpermäßigen Subjekts-Vielheit akut wird. Jener Entscheidungspunkt der Erkenntnis wird also bezeichnet durch eine ganz bestimmte Problematik der „Mehrfachheit". Das heißt: die Philosophie wird sich nicht weiter bewegen als durch die Stellung und Beherrschung des Problems der A u s w e r t b a r k e i t e i n e r e x t e n s i v e n G e g e b e n h e i t , jener Mehrfachheit, für eine intensive. Die eigenen typischen Fragestellungen des Denkens werden über den toten Punkt an dem sie seit geraumer Zeit ruhen, nicht hinausgelangen als durch neue Mittel, die aus der Möglichkeit einer Steigerbarkeit stammen, die objektive wie subjektive Geltung hat d. i. die sowohl als heuristische T a t s a c h e der Erkenntnis w i e als d y n a m i s c h e Quelle der Erk e n n e n s - I n t e n s i t ä t verstanden werden muß. DieseVielheits-Problematikistaberzugleichinnerstes T h e m a und A u f l ö s u n g s - P u n k t a l l e r F r a g w ü r d i g k e i t , die p o l i t i s c h h e i ß e n kann. Und indem jenes Problem die der Erkenntnis

als solcher zugehörige, eigenste, nicht von außen ihr „aufgegebene" Angelegenheit ist, ist die solcherart d e t e r m i n i e r t e Erkenntnis zugleich die n e u t r a l e d. i. nicht von außen „bestimmte", nur den eigenen Motiven folgende ist das keineswegs als „politische Philosophie" zu begreifende Erkennen ü b e r h a u p t , dennoch das D e n k e n d e r P o l i t i k . Das Ziel der Gesamtheit ist das gleiche wie das des Einzelnen; das der „Politik" — auch der materiellsten — das gleiche wie das des Einzeldaseins: und nur durch beider Verknüpfung zugänglich: eine Verknüpfung, die für das VielheitsGanze die Lösung der materialen, für den Einzelnen die Lösung der theoretischen und personalen Problematik ergibt; und für beide die Erfaßbarkeit und Handhabung einer bis dahin transzendenten Sachlage.

2. Veröffentlichung:

Oskar Goldberg:

Das Volk. Ü b e r eine d y n a m i s c h e Struktur in s o z i o l o g i s c h e n Einheiten und d i e T h e o r i e ihrer F o r m e l .

Verlag David / Berlin, Neuenburger Str. 38. Druck Ad. Alterthum, Berlin-Brandenburg (Havel).

H. G. Adler

Erinnerung an den Philosophen Erich Unger (aus: Eckart, Jg. 29, 1960, S. 182-185)

Zu den geistigen Verlusten der zwölf unheilvollen Jahre gehört das Vergessen eines der tiefsinnigsten Philosophen, die unser Jahrhundert hervorgebracht: Erich Unger. Seine nicht sehr zahlreichen Werke sind bis auf das im Buchhandel noch erhältliche grundlegende Buch „Wirklichkeit, Mythos, Erkenntnis" (Oldenbourg, München 1930) und den zwei Essays vereinigenden Band „The Imagination of Reason" (Die Imagination der Vernunft" — Routhledge & Kegan Paul, London 1952) schwer zugänglich, längst vergriffen oder zu einem bedauerlich großen Teil durch die Ungunst der Umstände nie gedruckt worden. Diese Ungunst, 1933 hereingebrochen, wurde auch seit 1945 nicht überwunden, wozu, außer den schwierigen Verhältnissen der ersten Nachkriegszeit, Ungers langjährige Krankheit und sein vorzeitiger Tod beigetragen haben. Dies ist umso mehr zu beklagen, als Unger heute dazu berufen wäre, den philosophisch Interessierten, aber auch Theologen, Erforschern von Religion und Mythos wie allen, die um eine einheitliche, doch umfassende Anschauung vom Menschen und seiner Welt bemüht sind, ein Helfer und Lehrer zu sein. Ein Lehrer, wie er es für viele war, die das Gück seines persönlichen Umganges, seiner einprägsamen, scharfsinnigen, dabei des Humors nicht entratenden Unterweisung genossen. In ungewöhnlichem Maße war ihm die Gabe beschieden, nicht nur sein eigenes Denken, sondern auch die Meinungen anderer, die Lehrgebäude der großen Philosophen, aller Zeiten und Richtungen so durchsichtig und objektiv vorzutragen, als handelte es sich um seine eigenen Anschauungen, mochte er selbst zu ihnen in entschiedenem Gegensatz stehen. Diese Kraft, fremde Auffassungen gerecht zu vertreten, ohne sein persönliches Urteil zu trüben, lenkte Unger auf eine Bahn, die ihm, ohne die Ungunst der Epoche, längst eine Geltung gesichert hätte, während sie jetzt erst mühsam durch Herausgabe und Erschließung seiner wichtigsten Schriften neu zu gewinnen bleibt. Als die böse Zeit hereinbrach, arbeitete Unger an einer Darstellung der Hauptströmungen in der jüngsten Philosophie. Der angesehene Verlag, der ihn dazu beauftragt hatte, löste wegen der nationalsozialistischen Gesetzgebung den Vertrag, das Werk wurde nicht fortgeführt; der erwünschte Weg eines Präzeptors der Philosophie war versperrt. Erich Unger wurde am 25. Oktober 1887 in Berlin geboren, im gleichen Jahre wie Georg Heym, mit dem er gut bekannt war, ein Jahr nach Gottfried Benn, der in einem seiner letzten Bücher ihn gepriesen hat. So gehörte Unger generationsmäßig zu den sogenannten „Expressionisten", mit denen er in seinen Anfängen, kaum aber später, einiges gemeinsam hat. Nach dem Besuch eines Berliner humanistischen

Gymnasiums studierte er in Berlin, München und Erlangen Philosophie. In Erlangen promovierte er unter Professor Hensel. Schon vor 1914 publizierte er in Zeitschriften wie im „Sturm", in der „Aktion" und in der „Zukunft". Später schrieb er gelegentlich für die Zeitschriften „Der Morgen", „Der Jude" und für die „Vossische Zeitung". Unger geriet in den Bannkreis der Lehren Oskar Goldbergs, wie sie dieser im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts in seiner Pentateuch-Exegese entwickelt und 1925 als „Die Wirklichkeit der Hebräer" herausgegeben hat. Die Deutungsweise Goldbergs, so anregend wie umstritten, hat ihren besonderen Sinn darin, daß sie den biblischen Text, vom Rationalismus wie von moderner religiöser Demutshaltung oder mystischer Spekulation gleich entfernt, als Hinweis auf eine mythische Realität auffaßt, die zwar gegenwärtig — für das aktuelle menschliche Bewußtsein — nicht real ist, aber aus dem Text des Pentateuchs erschlossen werden kann. Goldbergs Betrachtungsweise des Mythos, der zumindest eine Realität war, wie sie einem mythischen und vorrationalen (deswegen freilich keineswegs un-vernünftigen) Bewußtsein entsprach, das die Fülle des Existenten in einer Einheit, also nicht in der Spaltung verschiedener moderner Tätigkeitsgebiete menschlichen Trachtens wie Religion, Mystik, Philosophie, Wissenschaft und Kunst begriff, wurde zum Ausgangspunkt für Ungers Philosophie. Er vertrag eine Gesamtanschauung vom Menschen, der das Existierende unter vielerlei Zeichen, aber als eine Einheit begreifen kann, zumindest als Einheit in der Wurzel und im Ziele aller Erkenntnis. Damit hatte sich Unger vom idealistisch-materialistischen Antagonismus fast aller abendländischen Philosophie gelöst und sich vom Denken nach erstarrten Schulrichtungen befreit. Hatte Schelling im Alter die Geschichte des Weltgeistes in einer Philosophie des Mythos und der Offenbarung nachgezeichnet, so hat Unger den Mythos als realen Kontrast unserer unmythischen Realität verstanden und es unternommen, aus beider Vergleich und Unterscheidung zu philosophieren. Er hat deshalb keine Philosophie des Mythos geliefert, sondern mit Hilfe der Erkenntnis des Mythos als Wirklichkeit philosophiert. Der Mythos wurde nicht als Dichtung begriffen, nicht als Vorstufe der Religion, Theologie, Philosophie und Wissenschaft, auch nicht als psychologisches Glaubensphänomen, ebenso nicht als mystischer Schluß emotioneller Gleichsetzungen des Ichs und der Universalien, nicht einmal als Magie und noch viel weniger als okkulte vorzeitliche und in die Gegenwart ragende prärationale Übung, sondern als eine sinnliche Teilnahme an übersinnlichen Offenbarungen, wie sie in altbiblischen, doch auch in anderen urtümlichen Zeugnissen geschildert und heute gewöhnlich Wunder genannt werden. Diesen Wundern wohnt nach Goldberg und Unger ein objektiver Charakter inne; sie sind wirklich geschehen, sie sind nicht als Allegorie, als Symbol, als dichterische Zutat zu bewerten, sie stellen aber auch bestimmt kein nur psychologisches Phänomen dar. Nein, sie sind essentiell gegründet, sie haben einen ontologischen Gehalt. Es ist Ungers bleibendes Verdienst, diese Anschauung vom Mythos in die logische Philosophie, in die Begriffssprache des modernen Denkens eingeführt zu haben. Das ist zuerst 1925 in dem

eigenartigen Buch „Gegen die Dichtung" geschehen. In späteren Jahren ist Unger von diesem, seinem am kunstvollsten gestalteten Werk, teilweise in Dialogen, wohl nicht gedanklich, aber formal etwas abgerückt, da er die radikale Schärfe des nicht nur äußerlich mit Piatos dichtungsfeindlichem Standpunkt berührenden Denkens so nicht aufrechterhielt. Allerdings war die Dichtung eine Gefahr, sobald sie andere Leistungen des menschlichen Geistes, usurpieren oder verdrängen wollte, wenn sie etwa die letzten Ziele der Menschheit zu vertreten vorgab, die politisch wie theologisch, religiös wie wissenschaftlich verstanden, nicht auf dem Wege der Kunst und namentlich nicht der Dichtung zu gewinnen waren, obwohl und gerade weil poetologische Momente der alten mythischen (nicht mythologischen) Dokumente im Mißbegriff dazu verleiten konnten, die ersten und letzten Dinge nur im ästhetischen Bilde, doch nicht in der gesamten realen Existenz zu verwirklichen. Sollte die ontologische Würde des Mythos unangetastet hergestellt werden, dann war die Dichtung als ihr Ersatz und mögliches Zerrbild zu verneinen. So sollte Ungers Philosophie eine praktische Philosophie werden. Praktisch ist hier nicht so zu begreifen, daß nun unmittelbar das Praktische auch schon durchführbar wäre und die Rezepte sich dafür angeben ließen. Zu dieser Praxis, so erwünscht sie ist, fehlen die konkreten Voraussetzungen — das heißt: dem widerspricht der aktuelle Zustand der Welt. Praktisch kann hier nur meinen, daß dem Umkreis der mythischen als realhistorischen Betrachtungsweise in das moderne Denken als praktische Möglichkeit einbezogen wird, daß demnach unsere Auffassungen vom Sein und von den empirischen Zugängen zum Erlebnis dieses Seins bereichert werden und sich nicht vor Einsichten versperren, die man gemeinhin — in statischen Dogmen befangen — als unpraktisch, unverbindlich, als psychologische Illusion abtut. Diese Illusion bedroht uns nur dann, wenn wir unser gegenwärtiges Dasein zusammenhanglos betrachten, gleichsam nur als eine Sammelstätte beliebiger psychischer Gegebenheiten, die das im Augenblick Unübersteigbare unserer menschlichen Beschränkung als für alle Zeiten stets unübersteigbar postulieren. Diese unleugbar aktuelle, aber nicht zu verewigende, darum auch nicht ewige Beschränkung aufzuzeigen, hat Unger in seiner kleinen Schrift „Das Problem der mythischen Realität" von 1926 und in dem schon erwähnten großen Werk „Wirklichkeit, Mythos, Erkenntnis" von 1930 unternommen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß hier entwickelt wird: was war, was ist, was sein könnte. So gelangt Unger — wie schon vor ihm Schelling in anderem Zusammenhang — zur Betrachtung des Experimentes und des Experimentierbaren in der Philosophie. Er lehrt: „Die Herstellungs-Funktion der philosophischen Überlegung bedeutet eine eigentümliche Einheit von Betrachten und Tun. Diese Einheit erscheint von den gegenwärtig herrschenden Standpunkten der Philosophie aus leicht als jene pragmatisch-psychologistische Vermengung der Geltungs- und der Seinssphäre, mit der sie in Wahrheit nichts zu tun hat. Die herrschende Erkenntnistheorie, welche die Erkenntnisvorgänge nach ,Psy-

chologie' und ,Logik', nach ,Erfahrung' und ,Geltung' aufspaltet, vollzieht diese radikale Trennung mit Recht, solange die psychologische Situation als einheitlicher Komplex der Geltungs-Situation als ebenfalls einheitlichem Komplex gegenübergestellt werden kann. Anders aber würde die Sachlage mit Notwendigkeit werden, wenn diese beiden einheitlichen Gesamtkomplexe des Erkenntnisund des Erkenntnis-/»Ä