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Paul Celan

Gesammelte Werke

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in fiinf minden

Erster Band Gedichte I ,.:;'

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Paul Celan, geboren 1920 in Czernowitz (Bukowina), gestorben 1970 in Paris, ein Jahr Medizinstudium in Tours (Frankreich), spater Studium der Romanistik an der Universitat Czernowitz, wahrend des Krieges Lageraufenthalt in Rumanien. 1945-1947 Verlagslektor und Obersetzer in Bukarest" von Ende 1947 bis Sommer 1948 in Wien, seitdem in Paris. Studium der Germanistik und Sprachwissen­ schaft an der Sorbonne, schriftstellerische, Obersetzer- und Lehrtatig­ keit. Ausgezeichnet mit dem Bremer Literaturpreis 1958 und dem Georg~Buchner-Preis 1960.

In 5 Banden sind die bisher verstreut publizierten Werke Celans, darunter nicht mehr oder nur schwer Erreichbares, zusammengefuhrt. Die Bande lund 2 enthalten die acht Gedichtbucher, die von Celan selbst autorisiert wurden oder, wie im Fane der erst nach seinem Tod erschienenen Bande Lichtzwang und Schneepart, als autorisiert gelten durfen. Band 3, der Lyrik, Prosa und Reden umfaBt, setzt mit Celans erstem Gedichtband Der Sand aus den Umen ein. Es folgt die Sammlung von spatesten Gedichten, Zeitgeho/l, und die Kbtei­ lung Verstreute Gedichte. Die Bande 4 und 5 enthalten Celans Ober­ tragungen aus dem Franzosischen, Russischen, Englischen und Ameri­ kanischen, Italienischen, Rumanischen, Portugiesischen und Hebdii­ schen, zusammen mit den jeweiligen Originaltexten. Jedem der funf Bande sind faksimilierte Handschriften Celans beigegeben. »Das Gedicht kann, da es ja eine Erscheinungsform der Sprache und damit seinem Wesen nach dialogisch ist, eine Flaschenpost sein, auf­ gegeben in dem - gewiB nicht immer hotfnungsstarken - Glauben, sie konnte irgendwo und irgendwann an Land gespult werden, an Herzland vielleicht. Gedichte sind auch in dieser Weise unterwegs: sie halten auf etwas zu.« Paul Celan

Suhrkamp

Herausgegeben von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bucher

Erster Band

MOHN UND GEDKCHTNIS

VON SCHWELLE ZU SCHWELLE

SPRACHGITTER

DIE NIEMANDSROSE

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suhrkamp taschenbuch 13 3I

Erste Auflage 1986

Gesammelte Werke @ Suhrkamp Verlag

Frankfurt am Main 1983

Copyrightnachweise am SchluB des Bandes

Suhrkamp Taschenbuch Verlag

AIle Rechte vorbehalten, insbesondere das

des offentlichen Vortrags, der Obertragung

durch Rundfunk und Fernsehen

sowie der Obersetzung, auch einzelner Teile.

Druck: Nomos Verlagsgeselischaft, Baden-Baden

Printed in Germany

Umschlag nach Entwiirfen von

Willy Fledthaus und Rolf Staudt

1

1

3 4 5 6 -

91

90 89 88 87 86

185

ANSPRACHE

ANLASSLICH DER ENTGEGENNAHME DES

LITERATURPREISES DER FREIEN HANSESTADT BREMEN

Denken und Danken sind in unserer Sprache Worte ein und des­ se1ben U rsprungs. Wer ihrem Sinn folgt, begibt sich in den Bedeu..; tungsbereich von: »gedenken«, »eingedenk sein«, »Andenken«, »Andacht«. Erlauben Sie mir, Ihnen von hier aus zu danken. Die Landschaft, aus derich - auf welchen U mwegen! aber gibt es das denn: Umwege? -, die Landschaft, aus derich zu Ihnen kom­ me, durfte den meisten von Ihnen unbekannt sein. Es ist die Lancl­ schaft, in der ein nicht unbetrachtlicher Teil jener chassidischen Geschichten zu Hause war, die Martin Buber uns allen auf deutsch wiedererzahlt hat. Es war, wenn ich diese topographische Skizze noch urn einiges erganzen darf, das mir, von sehr weit her, jetzt vor Augen tritt, - es war eine Gegend, in der Menschen und Bucher lebten. Dort, in dieser nun der Geschichtslosigkeit anheimgefalle­ nen ehemaligen Provinz der Habsburgermonarchie, kam zum er­ stenmal der Name Rudolf Alexander Schroders auf mich zu: beim Lesen von Rudolf Borchardts »Ode mit dem Granatapfek Und dort gewann Bremen auch so UmriB fur mich: in der Gestalt-der Veroffentlichungen der Bremer Presse. Aber Bremen, pahergebracht durch Bucher und die Namen derer, die Bucher schrieben und Bucher herausgaben, behielt den Klang des Unerreichharen. Das Erreichbare, fern genug, das zu Erreichende hieB Wien. Sie wissen, wie es dann durch Jahre auch urn diese Erreichbarkeit be­ stellt war. Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie muBte

186

nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hin­

durchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch

die tausend Finsternisse todbringender, Rede. Sie ging hindurch

und gab keine Worte her fiir das, was geschah; aber sie ging durch

dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten,

»angereichert« von all demo

In dieser Sprache habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nach­

her, Gedichte zu schreiben versucht: urn zu sprechen, urn mich zu

orientieren, urn zu erkunden, wo ich mich befand und wohin es

mit mir wollte, urn mir Wirklichkeit zu entwerfen.

Es war, Sie sehen es, Ereignis, Bewegung, Unterwegssein, es war

der Versuch, Richtung zu gewinnen. U nd wenn ich es nach seinem

Sinn befrage, so glaube ich, mir sagen zu miissen, daB in dieser

Frage auch die Frage nach dem Uhrzeigersinn mitspricht.

Denn das Gedicht ist nicht zeitlos. GewiB, es erhebt einen Unend­

lichkeitsanspruch, es sucht, durch die Zeit hindurchzugreifen ­

durch sie hindurch, nicht liber sie hinweg.

Das Gedicht kann, da es ja eine Erscheinungsform der Sprache und

damit seinem Wesen nach dialogisch ist, eine Flaschenpost sein,

aufgegeben in dem - gewiB nicht immer hoffnungsstarken - Glau­

ben, sie konnte irgendwo und irgendwann an Land gesplilt wer­

den, an Herzland vielleicht. Gedichte sind auch in dieser Weise un­

terwegs: sie halten auf etwas zu.

Worauf? Auf etwas Offenstehendes, Besetzbares, auf ein an­

sprechbares Du vielleicht, auf eine ansprechbare Wirklichkeit.

Urn solche Wirklichkeiten geht es, so denke ich, clem Gedicht.

Und ich glaube auch, daB Gedankengange wie diese nicht nur

meine eigenen Bemiihungen begleiten, sondern auch diejenigen

anderer Lyriker der jiingeren Generation. Es sind die Bemlihungen

dessen, der, iiberflogen von Stemen, die Menschenwerk sind, der,

zeltlos auch in diesem bisher ungeahnten Sinne und damit auf das

unheimlichste im Freien, mit seinem Dasein zur Sprache geht,

wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend.

187

DER MERIDIAN

Rede anHimich der Verleihung des Georg-Biichner-Preises Darmstadt, am 22. Oktober 1960

Meine Damen und Herren! Die Kunst, das ist, Sie erinnern sich, ein marionettenhaftes, jam­ bisch-fiinffiiBiges und - diese Eigenschaft ist auch, durch den Hinweis auf Pygmalion und- sein Geschopf, mythologisch belegt ­ kinderloses Wesen. In dieser Gestalt bildet sie den Gegenstand einer Unterhaltung, die in einem Zimmer, also nicht in der Conciergerie stattfindet, einer Unterhaltung, die, das spliren wir, endlos fortgesetzt werden konnte, wenn nichts dazwischenkiime. Es kommt etwas dazwischen. Die Kunst kommt wieder. Sie kommt in einer anderen Dichtung Georg Biichners wieder, im »Woyzeck«, unter anderen, namen­ losen Leuten und - wenn ich ein auf »Dantons Tod« gemiinztes Wort Moritz Heimanns diesen Weg gehen lassen darf - bei noch »fahlerem Gewitterlicht«. Dieselbe Kunst tritt, auch in dieser ganz anderen Zeit, wieder auf den Plan, von einem Marktschreier pra­ sen~iert, nicht mehr, wie wiihrend jener Unterhaltung, auf die »gllihende«, »brausende« und »leuchtende« Schopfung beziehbar, sondern neben der Kre~tur und dem »Nix«, das diese Kreatur »anhat«, - die Kunst erscheint diesmal in Affengestalt, aber es ist dieselbe, an »Rock und Hosen« haben wir sie sogleich wie­ dererkannt. Und sie kommt - die Kunst - auch mit einer dritten Dithtung

41 SCHWARZE Milch der Fruhe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Luften da liegt man nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Ruden herbei er pfeift seine Jud~n hervor l:iBt schaufeln ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz Schwarze Milch der Fruhe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends, wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Luften da liegt man nicht eng Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf Schwarze Milch der Fruhe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

42

43

Er ruft spielt suBer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkier die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft

GEGENLICHT

dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng Schwarze Milch der Fruhe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Ruden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und traumet der T od ist ein Meister aus Deutschland dein goldenes Haar Margare,te dein aschenes Haar Sulamith

,

-.

211

Es WAR ERDE IN IHNEN, und

sie gruben.

Sie gruben und gruben, so ging

ihr Tag dahin, ihre Nacht. Und sie lobten nicht Gou,

der, so horten sie, alles dies wollte,

der, so horten sie, alles dies wuBte.

,'.'" .' :~ I

I

Sie gruben und horten nichts mehr;

sie wurden nicht weise, erfanden kein Lied,

erdachten sich keinerlei Sprache.

Sie gruben.

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...,~

Es kam eine Stille, es kam auch ein Sturm,

es kamen die Meere alle.

Ich grabe, du grabst, und es gdibt auch der Wurm,

und das Singende dort sagt: Sie graben.

I'

o einer, 0

keiner, 0 niemand, 0 du: Wohin gings, da's nirgendhin ging? o du grabst und ich grab, und ich grab mich dir zu, und am Finger erwacht uns der Ring.

, I

224

225

EIS, EDEN

PSALM

Es ist ein Land Verloren,

da wachst ein Mond im Ried,

und das mit uns erfroren,

es gliiht umher und sieht.

Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,

niemand bespricht unsern Staub.

Niemand.

Es sieht, denn es hat Augen,

die helle Erden sind.

Die Nacht, die Nacht, die Laugen.

Es sieht, das Augenkind.

Es sieht, es sieht, wir sehen,

ich sehe dich, du siehst.

Das Eis wird auferstehen,

eh sich die Stunde schlieBt.

Gelobt seist du, Niemand.

Dir zulieb wollen

wir bliihn.

Dir

entgegen.

Ein Nichts

waren wir, sind wir, werden

wir bleiben, bliihend: die Nichts-, die

Niemandsrose.

Mit

dem Griffel seelenhell,

dem Staubfaden himmelswiist,

der Krone rot

yom Purpurwort, das wir sangen

tiber, 0 iiber

dem Dorn.

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